Etwas
über zehn Jahre lang schrieb ein Berggipfel im Ahrntal in Südtirol
Radiogeschichte. Beinahe genauso lange dauerte der Kampf eines
Sendetechnikers aus Terlan bei Bozen gegen Behörden,
Umweltschützer, Attentäter und schließlich auch gegen
zahlungsunwillige Radiomacher. Als letzterer Ärger noch hinzu
kam, hatte Roland Huber die Nase endgültig voll: Im Sommer
1993 unternahm er nichts mehr gegen einen erneuten
Abrissbescheid für seine Sendeanlage auf dem rund 3370 Meter
hohen Schwarzenstein in den Zillertaler Alpen.
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Dieses
Foto zeigt den Container auf dem Schwarzenstein
nach dem Brandanschlag 1989. Damals wurde die Anlage,
abgesehen von der Antenne im Hintergrund, fast völlig
zerstört. Dabei hatte der damalige Mieter, Südtirol 1,
mit einem derartigen Anschlag gerechnet. Doch die Wache,
die sich eigentlich rund um die Uhr im Container
aufhalten sollte, war zum Zeitpunkt der Brandstiftung
gerade zur bewirtschafteten Schwarzensteinhütte
abgestiegen, um den "Getränke-Nachschub" zu
organisieren. Diese Situation registrierte offenbar auch
der mutmaßliche Brandstifter, der sich ebenfalls auf
der Hütte befand und somit wusste, dass die Anlage vorübergehend
unbewacht war. |
Nachdem auch die
Gemeinde Ahrntal zu diesem Zeitpunkt an einem Weiterbetrieb der Station kein
Interesse mehr zeigte, war das Schicksal des Standorts, von
dem 1983 erstmals gut empfangbares Privatradio in Richtung
Bayern abgestrahlt wurde, besiegelt. Südtirols
Landesregierung, letztlich äußerst zermürbt von den ewigen
gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Sendetechniker
Huber, packte die Gelegenheit beim Schopf. Sie beendete am 6.
September 1993 kurz nach 12 Uhr mittags die Querelen um den
Berggipfel. Von Mitarbeitern der Forst- und Domänenverwaltung
sowie der Carabinieri wurde die Anlage still gelegt und in den
folgenden Wochen per Hubschrauber komplett ins Tal
abtransportiert.
Heute erinnert auf dem Schwarzenstein nichts mehr an legendäre
Stationen wie Südtirol 1/Radio Brenner, Radio Tele
Schwarzenstein (RTS), Radio M 1 oder auch Radio Bavaria
International (RBI). Viele Ahrntaler schwelgen aber immer noch
gerne in Erinnerungen an die bewegte Geschichte einer der höchstgelegenen
Sendeanlagen Europas.
Dabei
wurde auf dem Schwarzenstein gar nicht der Startschuss für
Privatradio aus Südtirol für Bayern gegeben. Zwei Stationen,
Radio Bavaria International und Radio Brenner, waren schon vor
1983 auf Sendung gegangen. Deren Sendestandorte reichten aber
lediglich für guten Empfang in Nordtirol aus. In Bayern -
dort wollte man ja den Werbemarkt erobern - kam nur wenig von
den Programmen an. Obendrein scheute der Bayerische Rundfunk
(BR) damals keine Kosten und Mühen, die Frequenzen der
"Piraten" möglichst umgehend mit eigenen Programmen
zu belegen.
Als
1983 der Schwarzenstein in Betrieb ging, war das anders.
Angesichts der Stärke des Signals, das der ideal gelegene
Berggipfel mit Sichtverbindung nach München ermöglichte, hätte
der BR das Programm lediglich stören, aber nie komplett aus
dem Äther drücken können. So wird rückblickend klar, dass
gerade Radio M 1 mit der nur wenige Monate andauernden
Programmabstrahlung im Sommer 1983 die entscheidenden Impulse
für die Einführung von privatem Hörfunk in Bayern gesetzt
hat. Diese erfolgte 1984 im Kabelpilotprojekt, 1985 dann
terrestrisch. Dennoch gab
es Nachfolgestationen, die es weiter von Südtirol aus
probierten: etwa Radio C, Südtirol 1, Radio Transalpin oder
das 1990 wiedergeborene Radio M 1. An den Erfolg der Pioniere
kamen sie aber nie heran.
Zur
Rechtslage in Italien: Seit dem 28. Juli 1976 herrschte hier,
also auch in Südtirol, eine Art gesetzloser Zustand
betreffend Rundfunk und Fernsehen, nachdem das entsprechende
Gesetz vom 14. April 1975 durch ein Gerichtsurteil in seinen
wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt worden
war. Diese Lücke des Gesetzes ausnutzend, entstand eine
Vielzahl an privaten Hörfunksendern. Erst 1990 wurde ein
neues Gesetz verabschiedet, das die Medienlandschaft
reglementierte: das sogenannte "Legge Mammi",
benannt nach dem damaligen Postminister Oscar Mammi.
Chronik der Ereignisse
Dezember 1975
Mit Radio Bolzano Dolomiti startet in Südtirol das erste
Privatradio
März 1976
Mit der Freien Südtiroler Welle (FSW) startet der erste
deutschsprachige Privatsender
16. Mai 1979
Radio Bavaria International geht vom Standort Zirog auf Sendung
01. Mai 1981
Radio Brenner geht vom Standort Flatschspitze auf Sendung
20. Oktober 1982
Radio Bavaria International stellt seinen Sendebetrieb vorübergehend ein
01. Juli 1983
Radio Bavaria International sendet vom Schwarzenstein
01. August 1983
Radio Bavaria International wird in Radio M 1 umbenannt
16. August 1983
Die Südtiroler Landesregierung annulliert die Genehmigung für die Sendeanlage von Radio M 1
auf dem
Schwarzenstein
06. Oktober 1983
Eine Sendeanlage von Radio Brenner, die ohne Genehmigung auf dem Schwarzenstein errichtet worden war, wird einen Tag vor der geplanten Inbetriebnahme beschlagnahmt. Radio Brenner sendet von der Flatschspitze weiter. In der Folge werden auf die Anlage auf der Flatsch mehrere Brandanschläge verübt. Radio Brenner sendet jedoch jedes Mal nach einer kurzen Unterbrechung
weiter
11. Oktober 1983
Unbekannte kappen die Halteseile der M 1 Antenne auf dem Schwarzenstein. Die Antenne stürzt um und bricht
auseinander. M 1 sendet über eine Notantenne weiter
15. Oktober 1983
Die Sendeanlage von Radio M 1 auf dem Schwarzenstein wird versiegelt. Radio M 1 stellt den Betrieb
ein
Oktober 1983
Die Neue Constantin Film erwirbt die beiden Südtiroler Stationen Radio Rosengarten und Radio 104
März 1984
Die Neue Constantin Film verkauft Radio Rosengarten und Radio 104 an das Unternehmen Conrad Electronic. Mit dem Ausbau der Sendeanlage von Radio Rosengarten auf dem Hühnerspiel wird
begonnen
08. Juni 1984
Statt Radio Rosengarten wird vom Hühnerspiel ein Testprogramm des neuen Senders Radio C ausgestrahlt, der ebenfalls Conrad Electronic
gehört
01. August 1984
Radio C beginnt mit der Ausstrahlung seines regulären
Programms
20. November 1985
Die Sendeanlage auf dem Schwarzenstein wird von den Behörden
entsiegelt
Februar 1986
Die Sendeanlage von Radio C auf dem Hühnerspiel wird versiegelt. Über eine Reserveanlage wird mit reduzierter Leistung
weitergesendet
28. März 1986
Radio Tele Schwarzenstein (RTS) beginnt mit seinen Sendungen vom Schwarzenstein
01. Juni 1986
Radio Brenner sendet ein Testprogramm über die Anlage auf dem Schwarzenstein
10. Juli 1986
Radio Brenner nennt sich nun Südtirol 1 und startet sein reguläres Programm vom Schwarzenstein. Die Sendeanlage auf der Flatsch läuft parallel
weiter
21. Juli 1986
Die Südtiroler Landesregierung versiegelt die Anlage auf dem Schwarzenstein erneut. Ein Nachtanken ist nicht mehr möglich.
05. August 1986
RTS stellt sein Programm vom Schwarzenstein ein
08. August 1986
Der Tank der Anlage auf dem Schwarzenstein ist leer, die Anlage fällt aus. Südtirol 1 sendet wieder ausschließlich von der Flatsch
01. September 1986
Radio C wird mit Radio 104 fusioniert und nennt sich nun Radio C
Südtirol
21. Oktober 1986
Mittels einer einstweiligen Verfügung kann Südtirol 1 wieder über den Schwarzenstein
senden
November 1986
Radio C Südtirol stellt seine Sendungen vom Hühnerspiel ein und ist nun nur noch über das ehemalige Sendernetz von Radio 104 zu
hören
09. Dezember 1986
Die Anlage auf dem Schwarzenstein wird wieder versiegelt
14. Mai 1987
Südtirol 1 sendet nun auch wieder vom Schwarzenstein, nachdem die Behörden die Anlage wieder freigegeben
haben
April 1988
Radio Transalpin (RTA) startet vom Wilden Freiger
26. August 1989
Die Sendeanlage auf dem Schwarzenstein wird durch einen Brandanschlag zerstört. Südtirol 1 sendet über die Flatsch
weiter
01. November 1989
Die Anlage auf dem Schwarzenstein ist wieder funktionstüchtig. Südtirol 1 nimmt seine Sendungen von hier wieder
auf
09. November 1989
Die Gemeine Ahrntal erlässt eine Abbruchverfügung für die Anlage auf dem Schwarzenstein. Der Sendebetrieb von Südtirol 1, das sich für ca. vier Wochen wieder Radio Brenner nennt, geht jedoch weiter.
01. April 1990
Südtirol 1 nennt sich nun Radio Brenner Südtirol
05. Mai 1990
Das Programm von Radio Brenner Südtirol wird auf dem Schwarzenstein abgeschaltet. Das Programm läuft nur noch von der Flatsch
02. Juli 1990
Vom Schwarzenstein wird ein namenloses Versuchsprogramm
ausgestrahlt
05. August 1990
Der neue Sender vom Schwarzenstein nennt sich nun „Radio M1“ und sendet parallel vom Standort Zirog
Juli 1991
Radio Brenner stellt seine Sendungen endgültig ein. Die Anlage auf der Flatsch wird von Radio Edelweiß, einem Ableger von Radio
Zirog,
übernommen
Januar 1992
Radio Transalpin (RTA) stellt seinen Sendebetrieb ein
06. September 1993
Die Anlage auf dem Schwarzenstein wird versiegelt und in der Folge abgebaut und abgetragen. Radio M 1 sendet weiter vom Standort Zirog
21. Mai 2003
Radio M 1 stellt seinen Sendebetrieb ein
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