v.lks.: Klaus Schneidereit moderierte auf Star*Sat Radio die wöchentlichen Charts; Matthias Allgayer im ersten  Star*Sat-Studio in der Schwabinger Hohenzollernstraße; die Logos von Radio 2day & Star*Sat Radio.

89,0 MHz

Die Frequenz 89,0 Mhz stellt insofern ein Kuriosum in der Münchner Privatradio-Geschichte dar, als ihre Historie in zwei völlig unterschiedliche Phasen eingeteilt werden muss. Vom 29. Mai 1985 bis zum 30. September 1987 sendete hier die Anbietergemeinschaft Radio 1, anschließend wurde die Frequenz vorübergehend still gelegt. Am 11. April 1988 wurde die 89,0 wieder in Betrieb genommen, und zwar für die Anbieter Radio 2day, StarSat Radio, Zitrone/Grofik & Krusemark und Rundfunk Neues Europa. Heute - nach vielen Turbulenzen -  sendet auf dieser Frequenz nur noch 2day.  Die vorübergehende Einstellung der 89,0 im Jahre 1987 hatte mitnichten wirtschaftliche Gründe. Die Mehrheit der Gesellschafter der Anbietergemeinschaft Radio 1 hatte damals beschlossen, sich zukünftig am landesweiten Programm "Antenne Bayern" zu beteiligen, was zwangsläufig zum Ende von Radio 1 führen musste.

Als am 29. Mai 1985 die Frequenz erstmals in Betrieb ging, funkten hier im Splitting noch Radio 89, Musikwelle Süd, Ufa Radio und Neue Welle Bayern. Während sich die ersten drei Anbieter schon nach kurzer Zeit zu "Radio 1" zusammenschlossen, blieb das Splitting mit der Neuen Welle zunächst noch bestehen. Im Laufe des Jahres 1986 ging die Station dann aber in Radio Charivari auf. Radio 1 war fortan beinahe rund um die Uhr zu hören und musste lediglich einige Stunden pro Woche an das Kirchenradio "Rundfunk Neues Europa" abgeben, das viele Jahre später eine Programm-Kooperation mit Radio Horeb einging.

Gesendet wurde zunächst aus dem ZDF-Gebäude in Unterföhring (MGK-Studio), später aus den Studios in Neuperlach an der Charles-de-Gaulle-Straße. Letztere Räumlichkeiten gehörten zum Bauer-Verlag, der mittlerweile zu den Gesellschaftern von Radio 1 zählte. Hinzu kam dann noch das "Gläserne Studio" bei Karstadt am Dom in der Fußgängerzone (später Xanadu 93,3). Als Geschäftsführer fungierte zunächst Dr. Harald Jossé, später Ingolf Glabbatz (mittlerweile verstorben). Zu dem Wechsel in der Geschäftsleitung kam es, nachdem es Jossé versäumt hatte, bei der Radio-Bewerbungsrunde Baden-Württemberg im Auftrag des Burda-Verlags die nötigen Unterlagen einzureichen. Dadurch war es Burda nicht mehr möglich, das geplante Radio-Network in Baden-Württemberg zu realisieren.

Zum Team von Radio 1 gehörten unter anderem: Michael Tenbusch (Leiter 'Wort'), Alexa Agnelli (CvD), Stephan Lehmann, Peter Niedner, Ingo Paternoster (alias Gerry Tessler/Musikchef), Manfred Schmidt (Leiter 'Nachrichten'), Robert Schwend, Bernhard Englmann, Werner Schulze-Erdel, Christian Angerer, Stefan Kessler, Wolfgang Kreh, Norbert Lill, Al Munteanu, Stefan Parrisius, Raimund Wagner, Klaus Kjär (Leiter Organisation/Spotproduktion), Gabi Fischer, Irmi Paus, Jan Plate und Ulf Söhmisch. Letzteren sieht man auch heute noch bisweilen als Schauspieler in Produktionen der Bavaria Film ("Der Alte" etc.).
  
Die Musikfarbe von "Radio 1" wurde als "Happy-go-lucky - Adult Contemporary" definiert. Im Detail bedeutete dies Titel aus den Charts "ohne harte Passagen", viele Oldies sowie eine gut dosierte Mischung aus neuen Songs und "Titeln, von denen man das Gefühl hat, es müssten Hits gewesen sein, obwohl sie nie in den Charts auftauchten". Bei den Inhalten legte man großen Wert auf journalistisch ambitionierte Wortbeiträge. Zwar klang das Programm durchaus ansprechend, doch gelang es "Radio 1" im Laufe der Jahre nicht, einen größeren Bekanntheitsgrad zu erlangen. So lag die Frequenz 89,0 Mhz in der Popularität stets hinter den anderen privaten Stationen Münchens. Dies dürfte den Gesellschaftern ihre Entscheidung, das Programm einzustellen, nicht unbedingt erschwert haben. 

"89 München" nannte sich das Programm auf der Frequenz 89,0 nach der erneuten Inbetriebnahme am 11. April 1988. Die Sendezeit teilten sich fortan folgende Anbieter: Radio 2day (Peter Bertelshofer), das bisher vier Stunden täglich auf der Charivari-Frequenz 95,5 zu hören gewesen war; StarSat Radio München, hinter dem als Gesellschafter "Radio Isar" (Jo Lüders; Ex-Xanadu) und "Radio Yesterday" standen; Rundfunk Neues Europa (Kirche); die Musikproduktionsunternehmen "Zitrone" und "Grofik und Krusemark". Letzteren Anbietern wurde die Sendezeit von 21.00 bis 24.00 zugeteilt ("Je später der Abend"), die Programmgestaltung traten sie allerdings schon nach kurzer Zeit an StarSat ab.

Später sendete mit "89 Hit FM" noch ein weiterer Anbieter auf der Frequenz, was die Sendezeit von StarSat halbierte. Als der Sender von Lüders komplett aufgab (1992), wurde die 89,0 zu gleichen Teilen zwischen 2day und 89 Hit FM aufgeteilt. Seit dem Ende 89 Hit FM im Jahre 2000 sendete Radio 2day von Montag bis Samstag rund um die Uhr. Am Sonntag und an kirchlichen Feiertagen war das Programm von "Radio Horeb" zu hören, das jedoch mittlerweile auf 92,4 MHz funkt. Die Frequenz wird somit nun ausschließlich von 2day genutzt.

Recht kurios gestaltete sich der vorübergehende Auftritt von Radio Lora auf der 89,0. Die erste Sendung des neuen Anbieters am 4. Oktober 1993 um 18.00 Uhr war bereits nach einer knappen halben Stunde wieder beendet. Grund war eine einstweilige Verfügung, die von Radio 2day erwirkt worden war. Vom 08. Oktober an sendete Lora dann von Montag bis Freitag jeweils von 18.00 bis 20.00 Uhr. Folge waren allerdings Dauer-Querelen mit den Anbietern 2day und 89 Hit FM. Im April 1994 wechselte Radio Lora auf die 92,4. 

Star*Sat Radio

Mit Star*Sat Radio wollten Jo Lüders (Radio Xanadu) und sein Kompagnon ganz neue Wege gehen. Sie wollten ein Satelliten-Radio gründen und ihr Programm so in ganz Europa verbreiten. Da die Zahl der Haushalte mit Sat-Schüssel damals noch nicht besonders groß war, setzte man zusätzlich auf die Einspeisung in Kabelnetze. Die Lizenz erhielt man von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) am 30. April 1987. Die Kabeleinspeisung begann, und im November 1988 konnte man vermelden, in allen verfügbaren Kabelinseln Deutschlands vertreten zu sein. Parallel dazu sendete Star*Sat ab dem 23. März 1988 auch über Satellit: zunächst über Eutelsat, später außerdem über Astra und Kopernikus. Die Philosophie des Programms war denkbar einfach: "More Music, Less Talk". Moderiert wurde bei Star*Sat nur ein bis zwei Mal pro Woche (Eurobox, Star*Sat Top 10). Ansonsten lief Non-Stop-Music, lediglich unterbrochen von Nachrichten und aktuellen Meldungen. Was heute, im Zeitalter der Sende-Automation, schier unvorstellbar ist: Star*Sat Radio sendete stets live. Es war immer ein DJ im Studio, der die Non-Stop-Schiene fuhr und Hörerwünsche in wenigen Minuten auf den Sender brachte.

Auch terrestrisch war Star*Sat Radio zu hören: Ab dem 11. April 1988 stundenweise auf 89,0 MHz in München sowie unter anderem in Würzburg auf Radio W1, in Heilbronn auf Radio TON sowie in Südtirol via Radio Sonnenschein (später via Radio Eisack). Auch diverse Urlauberradios in Spanien bedienten sich des Programms als Mantel. München war insofern eine Ausnahme, als die BLM hier tagsüber getrennte Sendeschienen forderte. So wurden vom Star*Sat-Team zu bestimmten Uhrzeiten in den Studios (zunächst Hohenzollernstraße, später Grünwald) stundenweise zwei Programme parallel gestaltet. Das Europa-Signal wurde in München nur ab Mitternacht durchgeschaltet, während den Nachtstunden war Star*Sat zudem viele Monate lang als Begleitton zum Testbild des TV-Senders SAT.1 zu hören.

Star*Sat Radio hatte allerdings stets ein großes Problem: Die Satelliten- und Kabel-Abstrahlung verschlang eine Menge Geld, die Einnahmen durch Werbung waren aber spärlich. Als sich der wichtigste Investor Anfang der Neunziger zurück zog, war das Ende vorprogrammiert. Einige Zeit später musste Lüders, der sich inzwischen auch von seinem Kompagnon getrennt hatte, Star*Sat Europa an das Unternehmen TechniSat verkaufen. Auch das Münchner Lokalprogramm stellte er wenig später ein.

TechniSat machte aus Star*Sat schnell einen automatisierten Musik-Abspielkanal. Auch technisch änderte sich eine ganze Menge: Die Zahl der Satelliten wurde drastisch reduziert, schließlich sendete man nur noch digital über Astra im ADR-Verfahren. Folge war, dass Star*Sat aus den Kabelnetzen flog, da die Telekom zu dieser Zeit grundsätzlich nur analoge Signale einspeiste. Geraume Zeit sendete Star*Sat über Stützfrequenzen auch terrestrisch in Rheinland Pfalz (mit einem Lokalfenster für dieses Bundesland), diese Ausstrahlungsmöglichkeit war jedoch ausdrücklich bis 31. Dezember 1997 befristet. Eine Verlängerung war ausgeschlossen, da die Frequenzen ab 01. Januar 1998 für eine dritte landesweite Hörfunkkette in Rheinland-Pfalz vorgesehen waren. Im November 2001 wurde der Sender schließlich komplett eingestellt. Später vermarktete TechniSat mit dem Namen Star*Sat noch ein Pay-Radio-Paket über Satellit. Mit der ursprünglichen Programm-Philosophie von Star*Sat Radio hatte dieses Projekt, das nach einigen Jahren still und leise eingestellt wurde, jedoch überhaupt nichts mehr gemein.




Weiterführende Links:


Programmschema "89,0" (1985); im Splitting mit der Neuen Welle Bayern

Programmschema "Radio 1" (1986/87);
24 Stunden-Programm mit "Neues Europa"


Radio 1-Bildergalerie

Programmschema "89 München"
nach Wiederinbetriebnahme am 11. April 1988



Star*Sat-Radio zog später in dieses Haus an der Perlacher Straße in Grünwald um

Klaus Schneidereit verstorben

Ein Pionier des Privatradios in München und Südtirol lebt nicht mehr. Wie jetzt bekannt wurde, erlag Klaus Schneidereit vergangene Woche einem Herzversagen. Er wurde 68 Jahre alt.

Klaus Schneidereit machte seine ersten Radioerfahrungen in Spanien. In den Siebzigern moderierte er auf einem deutschsprachigen Radiosender in einem Ferienclub. Anschließend verschlug es ihn nach Südtirol, wo es schon einige Jahre zahlreiche private Radiostationen gab. Hier war er auf Radio Grüne Welle und auf der Freien Südtiroler Welle (FSW) zu hören. 1984 kehrte Klaus Schneidereit in seine bayerische Heimat zurück. Im Kabelpilotprojekt München gehörte er zum Team von Jo Lüders, der hier Radio Xanadu gestartet hatte. Über die Stationen Radio Soundtrack und StarSat Radio landete er schließlich im Gründungsteam von B 5 Aktuell, dem Informationskanal des Bayerischen Rundfunks. Gute 30 Jahre lang – bis zu seinem Ruhestand - gestaltete und moderierte er hier die Sport-Nachrichten.

Klaus Schneidereit hinterlässt einen Sohn.

(uhini.de; 02.12.2020)