"M 1 hätte dauerhaft einen soliden Platz auf dem Münchner Radiomarkt eingenommen"

Interview mit Ex-M1-Geschäftsführerin Maria-Theresia von Seidlein
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Frau von Seidlein, wie empfanden Sie persönlich die Zeit mit Radio M 1 im Kabelpilotprojekt 1984/85?
Schließlich sendete man damals ja beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Es war recht frustrierend, und wir haben nur durchgehalten, weil wir wussten, dass bald terrestrische Frequenzen freigegeben werden.

Umso enttäuschender war es dann sicher, dass Radio M 1 bei der Frequenzvergabe nur 25 Prozent der Sendezeit auf 92,4 erhielt. Welche medienpoltischen Gründe könnten damals eine Rolle gespielt haben?

Man wollte die Zahl der Frequenzen knapp halten. Vor allem auf Betreiben des Bayerischen Rundfunks, der die neue Konkurrenz natürlich fürchtete. Da also weniger Frequenzen ausgewiesen wurden als Anbieter vorhanden waren, mussten die Frequenzen gesplittet werden. Die Sender, die zuerst gemeldet und auch im Kabelpilotprojekt tätig waren, wurden bevorzugt behandelt. Radio M 1 konnte daher die besseren, attraktiveren Sendezeiten auf 92,4 abdecken als andere Anbieter.

Wie reagierte man, als neben Radio M 1, Radio Xanadu, Radio 44 und Radio Aktiv noch weitere Anbieter auf 92,4 untergebracht werden sollten?

Natürlich sehr ungehalten. Wir stoppten ja aus Protest sogar für einige Stunden den Sendebetrieb auf 92,4. Diese extrem unkluge und realitätsfremde Entscheidung der BLM hat schließlich vor allem den kleinen, unabhängigen Radiosendern sehr geschadet.

Im April 1988 erhielt Radio M 1 20 Stunden tägliche Sendezeit auf 92,4. Es heißt, ein Großteil der Gesellschafter habe zu diesem Zeitpunkt bereits für eine Änderung des Musikformats (Schlager statt Rock-Musik) plädiert. Ist das korrekt?

Die Formatänderung wurde durchgesetzt, nachdem ich meine Anteile an Herrn Oschmann verkauft habe. Im Vorfeld war bereits darüber diskutiert worden, ich hatte aber nicht mein Einverständnis gegeben.

Warum wollten Sie an dem Rock-Format festhalten?

Wir fühlten uns wohl damit. Es war eine Bauchentscheidung, kein betriebswirtschaftlich motivierter Beschluss.

Glauben Sie, dass sich ein Programm wie M 1 mit einem Rock-Musik-Format und Inhalten wie knappen Lokal-Infos, Kino- und Buchtipps etc. (also so wie es von April bis Oktober 1988 lief) langfristig in der Münchner Radiolandschaft etabliert hätte? Schließlich waren die damaligen Einschaltquoten ja gar nicht so schlecht.

Sicher hätte M 1 überlebt. Das Programm wäre im Laufe der Zeit noch professioneller geworden und hätte dauerhaft einen soliden Platz auf dem Münchner Radiomarkt eingenommen.

Was war - rückblickend gesehen - Ihr größter Erfolg bzw. Ihre größte Enttäuschung bei Radio M 1? Wurden entscheidende Fehler gemacht, was hätte man besser machen können?

Der größte Erfolg war die relativ gute Akzeptanz/Quote von Radio M 1. Der größte Misserfolg war die Parzellierung der Frequenz durch Jazzwelle, Radio 2day etc. Zum zweiten Teil der Frage: Man hätte den Sender sicher professioneller managen können, vor allem was die technische Seite anbelangt.

Glauben Sie, dass ein Rock-Musik-Format heute in München Erfolgsaussichten hätte?

Ein moderates Rockformat, eventuell gemischt mit Einflüssen von R&B, Hip Hop und Jazz, hätte sicherlich Erfolg.

Wie beurteilen Sie generell die aktuelle Privatradio-Landschaft in der bayerischen Landeshauptstadt?

Gut, es ist zwar kein Sender dabei, den ich gerne höre. Aber ich denke, aus wirtschaftlicher Sicht kann man Privatradio in München als Erfolg werten.

Vielen Dank für das Gespräch.