Kult-Treffen im Jahre 2007: Armand Presser, Uwe Gürtler, Georg von Langsdorff, Benny Schnier (v.l.)

'Ich hatte immer ein Problem mit Autoritäten'

Zeitzeugen-Interview mit Redakteur & Moderator
Georg von Langsdorff (Radio M 1)
(Copyright: uhini.de - 2008)

Georg von Langsdorff, Jahrgang 1953, wuchs in Baden-Baden auf. Nach einem Volontariat beim Badischen Tagblatt kam er zum Südwestfunk (SWF), später zum Bayerischen Rundfunk (BR). Von 1983 bis 1986 arbeitete Georg von Langsdorff als Medienberater bei JBC in Kingston (Jamaika). Nach seiner Rückkehr in die Landeshauptstadt Bayerns kam er auf Vermittlung von Armand Presser zu Radio M 1. "50 Mark pro Beitrag und 15 Mark pro Nachrichtenblock", erinnert er sich. "Wirklich ärmlich - schon damals -, aber lustig. Irgendwann saß ich dann vorm Mikro und fand das immer noch lustig." Georg von Langsdorff hatte dann am Faschingsdienstag, 07. Februar 1989, das zweifelhafte Vergnügen, bei Radio M 1 "das Licht auszumachen": exakt um Mitternacht nach Ende der letzten Live-Übertragung aus der Faschingsdisco 'Romy's Finest'.

Nach dem Ende von M 1 heuerte Georg von Langsdorff noch im selben Jahr als leitender Redakteur bei den SAT.1 Kino News an und gestaltete - bei besserem Gehalt - bis 1992 rund 150 Kinosendungen. Anschließend gründete er zusammen mit Ex-M 1-Geschäftsführerin Maria-Theresia von Seidlein die S&L Medienproduktion. Es folgten im Jahre 2000 die Gründung der S&L MediaNetworX, 2004 die Gründung der S&L Life und 2006 die Gründung der WestWing Online GmbH.Aktuell sind 80 Mitarbeiter in den vier Firmen der S&L Mediengruppe tätig. Georg von Langsdorff: "Wir machen Kino-Filme, DVDs, Games und Produkte der Unterhaltungsindustrie bekannt und hoffentlich auch erfolgreich. In dieser Branche sind wir, in der Aufstellung der Mediengruppe, in Deutschland die Nummer eins." 

Wir schreiben das Jahr 1987. Es ist Sonntag Morgen, im Radio läuft auf 92,4 der Song "Snack Attack" von Godley & Creme. Herr von Langsdorff, was fällt Ihnen dazu ein? 

Ja, das habe ich vermutlich häufiger gespielt. Fand die immer gut. "Snack Attack" war irgendwie passend zum frühen Sonntag Morgen. Ohne Frühstück vor dem Mikro...! Überdies sind die Jungs großartige Video-Clip-Produzenten gewesen. Die Verbindung Musik und Video war immer mein Ding. So was gibt Fleißpunkte und hievt Künstler in die Playlist meiner persönlichen Lieblinge. Ich dachte mir auch immer: 'Man kann ja mal was anderes spielen als die anderen Sender'. Dafür war ich immer gut.

Sie haben die Frühsendung am Sonntag ja bis zum Oktober 1988 sehr häufig moderiert und mussten anschließend um 09.00 Uhr stets an die Jazzwelle abgeben. 

Genau. Die Übergabe an die Jazzwelle war immer wieder ein Highlight in dieser Zeit. Schwungvoll raus aus der letzten Nummer, und die Jazzer fahren erst mal ein Loch...! Ich liebte das.

Ansonsten galt ihre musikalische Vorliebe dem Reggae. Wie kam es dazu?

Ich habe ja von 1983 bis 1986 auf Jamaika gelebt. Und überhaupt: Ich finde, diese Mucke hat Dampf und Herz-Rhythmus. Was haben die sich bei M 1 zunächst über mich lustig gemacht. Bernd Alexa (Neppo) hat den Begriff der Baströckchen-Show erfunden. Ein Brüller...! Aber ich hatte Hörer mit dem Ding. Vermutlich alle stoned, aber das war ja auch o.k.

Welche konkreten Pläne und welche Visionen hatten Sie als Chefredakteur von Radio M 1?

Schluss mit dem Vorlesen der Bildzeitung im laufenden Programm. Sinnvolle, Zielgruppen-genaue Erarbeitung redaktioneller Themen - mit zugegeben kleinem Etat. Und ich fand, das ging ganz gut. Kein Verlautbarungsjournalismus. Keine doziernden Töne. Einfach sagen, was heute los ist, und dabei darauf achten, dass der Hörer das auch noch versteht. Eigentlich ganz einfach - oder doch nicht?

Sie haben sich bis zum letzten Sendetag nie das Wort verbieten lassen und hoben sogar noch eine Umfrage zur Umwandlung von M 1 in einen Schlagersender ins Programm, die in der Tat etwas einseitig ausgefallen war. Hatte dies ein Nachspiel?

Nein, kein Nachspiel. Nur das übliche Gedöhns der neuen Geschäftsleitung. Zugegeben: Das Stück war a bisserl einseitig geraten. Aber man ist ja auch nur Mensch. Immer noch besser als Nonstop mit Jan-Michael Meinecke, oder? (Anm. d. Red.: Meinecke war damals einer der Gesellschafter der Studiobetriebsgemeinschaft Fraunhoferstraße). Und ich will es nicht verbergen: Ich hatte immer ein Problem mit Autoritäten. Auch heute noch!!!!

Hätten Sie auch nur annähernd an ein solches Ende gedacht, als M 1 im April 1988 20 Stunden Sendezeit auf 92,4 erhielt? Damals dominierte doch sicher die Euphorie, oder?

Ja und Nein. Die Lage war auch zum Zeitpunkt der Umwandlung zum M1 Vollprogramm (mit anhängiger Jazzwelle) stets angespannt. Das Geld war knapp. Investiert wurde mehr in die Kontrolle der Gesellschafter als ins Programm. Aber immerhin - das annähernde Vollprogramm schien eine Chance zu sein. Doch realistisch betrachtet hatten wir ein kleines Problem. Wir waren kein Rocksender mehr. Wir haben den Fehler gemacht, den viele andere auch gemacht haben: Top 40 inklusive Profilverlust. Das ganze wurde beliebig. Nur die Special-Shows wie Hard&Heavy, Reggae etc. hatten noch klare Profile. Der Rest wurde so ein bisschen rockig verbrämte Massenware unter der Leitung von Tessi Stadler. So was funktioniert einfach nie wirklich gut.

Die nachfolgende Frage habe ich auch schon Ihrer Geschäftspartnerin Maria-Theresia von Seidlein gestellt: Glauben Sie, dass sich ein Programm wie M 1 mit einem Rock-Musik-Format und Inhalten wie knappen Lokal-Infos, Kino- und Buchtipps etc. (also so wie es von April bis Oktober 1988 lief) langfristig in der Münchner Radiolandschaft etabliert hätte?

Das glaube ich fest und ich denke, dass könnte immer noch gehen. Nur darf man das nie verwässern und muss einfach wissen, dass die Rockfreunde nicht die Mehrheit in der Hörerlandschaft sind. Man muss also in Sachen Marketing und Werbezeitenverkauf nach Partnern suchen, die ein solch spitzes Profil zu schätzen wissen und fördern.

Welche Radiosender hören Sie heute? Hören Sie überhaupt noch herkömmliches Radio?

Ich habe ein halbes Dutzend iPod´s im Haus und den Autos verteilt. Leider bin ich empfindlich gegen die dauerhaft gute Laune der jungen Kollegen, das hohle Gebabbel und die sprachlichen Defizite heutiger Radio-Ritter. Man wird halt älter. Meine Frau findet ja, dass ich viel zu laut Musik höre. Ich glaube das nicht...! Gerade läuft hier übrigens die Band Head East mit 'Since You've Been Gone'. Aber ich höre auch viel Jazz und Fusion; das ist wohl ein Tribut ans Alter. Wenn aber einer Lust haben sollte, mir zwei Stunden Sendezeit am Abend zu geben - ich mache gerne was draus! Also Leute: Keep On Rocking!!!!

Vielen Dank für das ausführliche Interview.


Soundfile mit Georg von Langsdorff



Radio M 1 Finale aus
dem Romy's Finest