Radio Tirol

SENDESTART: 20. November 1977

SITZ: Brunnenburg (Dorf Tirol), Aichweg 4 (Dorf Tirol), 
Funkhaus Südtirol
(Innsbruckerstraße 23, Bozen)

EIGENTÜMER / INHABER: Dr. Gerald Fleischmann (Direktor),
Wolfram Hilbring (Inhaber)

Geht man nach dem Bekanntheitsgrad einzelner Südtiroler Rundfunkstationen, war das ursprünglich eigenständige Radio Tirol mit Sitz in Dorf Tirol ohne Zweifel eine der populärsten Stationen - wenn nicht sogar die beliebteste Station in Südtirol. Bemerkenswert war vor allen Dingen, dass sich Radio Tirol seinen Bekanntheitsgrad nicht wie andere Radios durch Negativschlagzeilen oder spektakuläre Aktionen erwarb, sondern durch seriöse Arbeit.

Im Oktober 1977 wurde Radio Tirol gegründet. Mit den Sendungen startete man dann am 20.November 1977.. Ein paar Freunde hatten sich damals im Vorfeld zusammengefunden und den Entschluss gefasst, einen Radiosender zu gründen. Der Kern der Mannschaft, die Radio Tirol gründete, arbeitete zuvor bei der Freien Südtiroler Welle (FSW). Da ein Teil der Mitarbeiter der Freien Südtiroler Welle zum Teil andere Ansichten vertrat als deren Inhaber, entschloss man sich (u.a. auch unter federführender Beteiligung von Dr. Gerald Fleischmann, der als Journalist bei der FSW in der Nachrichtenredaktion gearbeitet hatte), ein eigenes Privatradio zu gründen. Die Eintragung beim Landesgericht in Bozen erfolgte am 03. Oktober 1977. Hierbei wurde Wolfram Hilbring als Inhaber angegeben, als Direktor Gerald Fleischmann. Wolfram Hilbring hatte sich zu dieser Zeit bereits von der Zeitung Dolomiten getrennt und konnte als Inhaber auftreten. Zusätzlich wurde die angestrebte Sendetätigkeit noch bei der Handelskammer in Bozen angemeldet, wobei zuvor eine Gesellschaft gegründet worden war. Zu den Teilhabern gehörten u.a. der damalige Direktor der Raiffeisenkasse Dorf Tirol und auch der Wirtschaftsberater Dr. Fritz Kuppelwieser

Die ersten Studios richtete man auf der Brunnenburg unweit von Dorf Tirol ein. Die Brunnenburg ist im Besitz von Siegfried de Rachewitz, der einige Räumlichkeiten in seiner Burg Radio Tirol zur Verfügung stellte. Er selbst gestaltete sogar einige kulturelle Sendungen für den Sender. Insgesamt konnte man vier Räume auf der Brunnenburg für das Radio nutzen. Zwei Räume dienten als Studios, zwei weitere als Büro und Aufenthaltsraum sowie als Plattenarchiv. Man startete mit einem Gesellschaftskapital von einer Million Lire und einem Bankkredit und konnte danach mit Versuchssendungen beginnen. Das Equipment kaufte man bei Rohde und Schwarz in München. Damit die wichtigsten Geräte eingekauft werden konnten, investierten die Gründungsmitglieder zusätzlich noch ihre Sparguthaben, sodass weitere fünf Millionen Lire zusammen kamen. Das Geld reichte aus, um zwei Plattenspieler, ein Revox-Bandgerät, den Sender, einen 100 Watt Verstärker und eine Antenne anzuschaffen. So begann man mit ersten Programmen, die auch überraschend viel Anklang bei der Südtiroler Bevölkerung fanden.

Zu Beginn wurde nur ein Umsetzer auf der Hochmuth installiert. Damit konnte man hauptsächlich das Burggrafenamt und das Etschtal bis Terlan versorgen. In der Ebene konnte man bis in das Überetsch bei St. Pauls gehört werden, zum Teil auch im Vinschgau, Passeier- und Ultental. Die erste Euphorie bei Radio Tirol verflog jedoch recht bald wieder, denn obwohl die Einschaltpreise für Werbung minimal waren, war es äußerst schwierig, Werbekunden zu finden. Diese Schwierigkeiten ließen sich nur deshalb überwinden, weil es eine ganze Reihe junger begeisterter Leute gab, die für einen winzigen Spesenbetrag bereit waren, Plattenspieler und Tonbandgeräte bei Radio Tirol zu bedienen.

Radio Tirol hatte sehr früh den Ehrgeiz, qualifizierte Nachrichtensendungen auszustrahlen. Es wurde schon frühzeitig ein Vertrag mit der deutschen Presseagentur (dpa) abgeschlossen, um regelmäßig mit den aktuellen Weltnachrichten versorgt zu werden. Die technischen Mittel, um die Nachrichten der dpa zu empfangen, waren jedoch äußerst abenteuerlich und waren beispielhaft für die Improvisationskunst der frühen Südtiroler Radiostationen. Die Geräte zum Empfang der dpa-Meldungen bestanden nämlich aus ausrangierten Maschinen der österreichischen Nachrichtenagentur apa, die damals gerade ihre Gerätschaften modernisierte und darum ihre alten Maschinen billig verkaufte. Hinzu kamen ein Funkempfänger von einem amerikanischen Kriegsschiff, den man auf dem Schwarzmarkt in Livorno kaufte, ein normales Antennenkabel, das zum Dach führte und eine ganz schlichte, keinesfalls für den dpa-Empfang geeignete Antenne. Trotzdem funktionierte alles; zwar mehr schlecht als recht , aber man kam über die Runden. 

Der technische Ausbau ging zunächst recht zögernd voran. Als Radio Tirol dann aber das ehrgeizige Ziel anpeilte, die drei Teile Tirols (Süd-, Nord,- und Osttirol) zu verbinden, fand man mit Kommerzialrat Josef Moser, Herausgeber der Tiroler Tageszeitung, einen verständnisvollen Verbündeten. Josef Moser wurde bei Radio Tirol Mitgesellschafter und sorgte dafür, dass der gesamte technische Ausbau flott weitergehen konnte. Zunächst wurde 1981 eine Sendeanlage im Bereich des Brenners in Betrieb genommen, mit der die Abstrahlung des Programms nach Innsbruck und in den südbayerischen Raum ermöglicht wurde. Mit dem Umsetzer nahe der 1.800 Meter hoch gelegenen Zirog-Alm bei Sterzing strahlte Radio Tirol auf 101.45 MHz (später 105,40 MHz) sein 24 Stunden Programm mit 18 kW Leistung in Stereo über eine Acht-Felder-Kathrein-Antenne in Richtung Innsbruck, Augsburg und München und erreichte damit Teile Nordtirols und des Gebietes des schwäbisch-bayerischen Raumes. Mit dem Wachsen des Sendegebietes wurden auch die Räumlichkeiten auf der Brunnenburg zu klein. Die Redaktion übersiedelte deshalb 1981 ins Zentrum von Dorf Tirol. 1983 wurden auch die Studios dorthin verlegt. Damit war Radio Tirol quasi dreigeteilt. Direkt an der Hauptstraße in Dorf Tirol befand sich das Werbebüro. Am Aichweg 4 im Keller einer Pension (Pension Lafod) befanden sich die Studios und gleich gegenüber in einem Gemeindegebäude (Vereinshaus) die Redaktion. Der diensthabende Redakteur musste also stets kurz vor der vollen Stunde über die Straße zum Studio laufen, um dort die Nachrichten live zu sprechen.

Radio Tirol entwickelte sich mit der Zeit zu einer der größten Radiostationen Südtirols. Über 16 Umsetzeranlagen auf rund 20 Frequenzen war das Programm von Radio Tirol in Südtirol, im Großraum Lienz, in weiten Teilen Nordtirols, einigen Teilen Bayerns und sogar in kleinen Gebieten des Schweizer Kantons Graubünden zu hören. Besonderen Wert legt man bei Radio Tirol immer auf einen großen und gut recherchierten Informationsblock mit Schwerpunkt auf lokaler Information. Vier Redakteure waren bei Radio Tirol täglich zwischen zwölf und 16 Stunden im Einsatz. Ein Techniker betreute das Aufnahmestudio, drei Techniker machten im Live-Studio abwechselnd Dienst, ein weiterer Techniker war für die Betreuung der Umsetzeranlagen, deren Aufstellung und Wartung sowie für Gerätereparaturen zuständig. Rund zehn bis 15 freie Mitarbeiter kamen zur Moderation in die Studios von Radio Tirol oder übermittelten fertige Programmbänder. Das Live-Studio bei Radio Tirol war von 06.30 bis 24.00 Uhr besetzt. 

Im Jahr 1994 wurde Radio Tirol von einem schweren Schicksalsschlag getroffen. Im Alter von nur 53 Jahren verstarb am 16.Mai Dr. Gerald Fleischmann, verantwortlicher Direktor und „Motor“ von Radio Tirol. Von der Gründung des Senders an hattet sein gesamter Einsatz in beispielsloser Weise den Auf- und Ausbau von Radio Tirol gegolten.  Anfang der Neunziger hatte Gerald Fleischmann gründete darüber hinaus die Arbeitsgemeinschaft Rundfunk/TV (ART), deren Präsident er bis zuletzt war. 

Im Juni 2004 kaufte dann die Radio Media International GmbH (RMI) Radio Tirol von der Ladurner Group, bis dahin Mehrheitseigentümer bei Radio Tirol. Auch die weiteren Anteilseigner bzw. Gesellschafter, Thomas Amonn und Sabrina Fleischmann, verkauften ihre Anteile. Die Ladurner Group wiederum wollte sich auf ihr Kerngeschäft (Baustoffhandel und Umwelttechnik) konzentrieren. Die RMI, Produzent des "Südtirol Journal", hatte bereits zuvor die Sarner Welle aufgekauft und war damit vom Drittanbieter zum Akteur im Südtiroler Radiogeschäft geworden, indem man die Sarner Welle umbenannte und als Radio Südtirol 1 weiterbetrieb. Durch den Aufkauf von Radio Tirol gelangte man an ein großes Umsetzernetz und konnte damit durch Umstrukturierungen das Sendegebiet von Südtirol 1 auf fast ganz Südtirol erweitern (mit Teilen des Trentino, Nord- und Osttirols sowie Teilen Schwabens und Südbayerns, wo der Sender an exponierten Stellen auch heute noch auf 105,40 MHz empfangbar ist).

Radio Tirol blieb als Marke bestehen, jedoch nur mit sehr begrenztem Sendegebiet. Die Studios siedelten nach der Fertigstellung des Funkhauses Südtirol von Dorf Tirol an die Innsbruckerstraße in Bozen über. 

Reiner Palma




Studiobilder von Radio Tirol. Das Foto oben links zeigt den Eingang zum Werbebüro im Zentrum von Dorf Tirol



Im Vereinshaus (Foto lks.) befand sich die Redaktion, im Keller der Pension Lafod waren die Studios von Radio
Tirol untergebracht. Der Zugang erfolgte über die Treppe auf dem rechten Foto rechts hinten.     Fotos (5): ebl



Die Treppe zu den Studios im Keller der Pension Lafod. Der Wegweiser und die Grafik auf der Eingangstüre sind
heute noch zu sehen (Stand: Dezember 2016). Man könnte fast meinen, Radio Tirol habe seinen Sitz immer
noch hier. Ob sich wohl hinter der (verschlossenen) Türe noch weiter Relikte des Senders befinden?