'Der
Sender auf dem Schwarzenstein hatte eigentlich nie eine Zukunft'
Zeitzeugen-Interview
mit dem Sendetechniker Roland Huber
(Copyright: uhini.de -
2012)
Roland
Huber betrieb in der Bozner Gerbergasse ein Elektronikfachgeschäft,
als es ihn Anfang der Achtziger plötzlich auch in luftige Höhen
zog. Nach Tests auf mehreren Südtiroler Berggipfeln entdeckte
er den Gletscher Schwarzenstein im Ahrntal, der ihm
aufgrund seiner Lage und Beschaffenheit für Sendungen in
Richtung Bayern als absolut ideal erschien. Und tatsächlich
kamen die Programme von Radio Bavaria International/Radio M 1, Südtirol
1 oder Radio Tele Schwarzenstein, die von hier im Laufe der
Jahre abgestrahlt wurden, in sensationeller Qualität in Süddeutschland
(und teilweise weit darüber hinaus) an. Im Exklusiv-Interview
erinnert sich Huber noch einmal an die Entstehungsgeschichte,
die Erfolge, aber auch an die unerfreulichen Begebenheiten rund
um die legendäre Sendeanlage, die das wohl wichtigste und
aufregendste Kapitel in Sachen Privatradio in Südtirol
schrieb.
Roland,
wie kamst Du eigentlich zum Radio?
Das geschah über einen Umweg. Ich
wollte eigentlich nie Radio machen.
Aber dann ist 1980 ein Politiker zu
mir gekommen und erzählte von einem
Bekannten in München, der gerne von
Südtirol aus in die bayerische
Landeshauptstadt senden würde. Wir
haben dann einen Versuch von dem
Berg Hühnerspiel aus durchgeführt
(Anm. d. Red.: das war der spätere
Senderstandort von Radio C). Das
lief unter dem Namen "Radio
104". In einer Woche haben wir
damals über 2000 Zuschriften
bekommen. Bei Messungen in Bayern
habe ich dann aber festgestellt,
dass ein extrem hoher technischer
Aufwand nötig sein würde, um ein
sauberes Signal in Richtung Norden
gewährleisten zu können. Mit der
Energie von zwei Kilowatt, die auf
dem Hühnerspiel zu diesem Zeitpunkt
zur Verfügung stand, wäre das nie
möglich gewesen.
Das Projekt wurde demnach zunächst
einmal fallen gelassen, doch dann
hast Du den Schwarzenstein
entdeckt...
Ich wusste, dass vom Schwarzenstein
direkte Sichtverbindung nach
Deutschland besteht. Entsprechende
Tests - unter anderem mit einem
20-Watt-Ukw-Sender mit
Batteriebetrieb - haben dies bestätigt.
Der Antennengewinn war stets höher
als bei allen anderen Standorten,
die bisher in Betrieb waren.
Du hast dann eine provisorische
Genehmigung zur Errichtung einer
Sendeanlage beantragt...
Ja, bereits im Jahre 1981. Diese
wurde auf zwei Jahre bewilligt. 1983
- nach der Erneuerung der
Genehmigung - habe ich schließlich
die Anlage errichtet. Im Juli dieses
Jahres ging alles in Betrieb (Anm.
d. Red.: mit dem Programm von Radio
Bavaria International, das wenig später
in Radio M 1 umbenannt wurde), doch
schon im Oktober wurde ein Attentat
auf die Anlage verübt. Die
Halteseile der Antenne wurden
gekappt; die stürzte daraufhin den
Berg hinunter. Zur gleichen Zeit war
Radio Brenner gerade dabei, auf dem
Schwarzenstein ein Parallelanlage zu
errichten. Gegen dieser Vorhaben bin
ich damals vorgegangen, weil es dafür
überhaupt keine Genehmigung gab.
Ich hatte einfach die Befürchtung,
dass ich mit der Brenner-Anlage
irgendwie in Verbindung gebracht
werden könnte. Der Bau von Radio
Brenner wurde daraufhin eingestellt.
Das Attentat auf meine Anlage war
dann - das weiß ich heute definitiv
- eine Art Racheakt.
Aber auch Radio M 1 sendete in
der Folge nur noch wenige Tage...
Wir waren gerade dabei, die Antenne
neu aufzubauen, als die
Gerichtspolizei die angeblich
illegal errichtete Anlage plötzlich
versiegelt hat. Im Zuge des
Wiederaufbaus haben wir zu diesem
Zeitpunkt auch nachgetankt. Und
dabei passierte ein Unfall. Der
Hubschrauber konnte die Ladung
aufgrund von Turbulenzen nicht mehr
halten und hat sie daraufhin
ausgeklinkt. Die Fässer mit 600 bis
700 Liter Diesel fielen auf den
Gletscher und brachen dabei
teilweise auf. Da diese beiden
Ereignisse zeitlich sehr dicht
beieinander liegen, wird oft
behauptet, die Versiegelung wäre
eine Folge des Ölunfalls gewesen.
Das ist aber falsch. Das Dekret zur
Versiegelung war schon einige Tage
vor dem Unfall vom Brunecker
Bezirksrichter unterschrieben
worden. Allerdings hat die
Geschichte mit den Ölfässern den
Richter sicher dazu veranlasst, die
Versiegelung längere Zeit aufrecht
zu erhalten.
Einige Jahre später wurde die
Anlage dann aber wieder entsiegelt.
Wie kam es dazu?
Das hat bis 1985 gedauert, was mit
der italienischen Justiz zusammenhängt.
Ein Bezirksrichter hatte damals sehr
große Macht. Er war gleichzeitig
auch noch Untersuchungsrichter und
Staatsanwalt. Er konnte also tun und
lassen, was er wollte. Und ich
konnte nicht einmal eine
Schadensersatzforderung stellen,
obwohl ich 1986 in zweiter Instanz
vom Vorwurf, ein illegales Bauwerk
errichtet zu haben, freigesprochen
wurde. Noch ein Wort zum Ölunfall:
Natürlich gab es auch in dieser
Sache einen Prozess. Aber zu dem war
ich nicht einmal eingeladen. Ich
habe nach meinem Freispruch die
Anlage jedenfalls wieder in Betrieb
genommen und wenig später einen
Vertrag mit Radio Brenner (Anm.d.Red:
das fortan unter dem Namen "Südtirol
1" sendete) abgeschlossen.
Gleichzeitig erfolgte die Umstellung
von Diesel auf Gas zur
Energieversorgung. Allerdings
hat der Bezirksrichter die Anlage
noch im selben Jahr erneut
versiegelt - mit dem Argument, ich würde
verbotenerweise gezielt ins Ausland
senden. Dann wurde aber das alte
Strafgesetzt gekippt, und es gab
1987 auch eine neue Regelung in
Sachen Sendebetrieb. Plötzlich
waren Sendungen ins Ausland erlaubt.
Und weil ich mittlerweile auch die Möglichkeit
gehabt hätte,
Schadensersatzforderungen zu
stellen, wurde die Anlage sofort
entsiegelt.
Einige Zeit lang ging ja
alles gut, Südtirol 1 sendete
ungestört in Richtung Bayern. Doch
dann kam es zu dem Brandanschlag...
Ja, das war 1989. Ich habe dann zwar
die Anlage sehr schnell wieder
aufgebaut und in Betrieb gesetzt,
doch gab es in der Folge zunehmend
Probleme mit meinem Vertragspartner
Radio Brenner. Ich habe deswegen
nach einer Alternative gesucht und
diese auch gefunden (Anm.d.Red.: es
handelte sich um die Familie Führer).
Doch war diese Lösung nicht
unbedingt glücklich. In der
Folgezeit ging es mit der
Sendeanlage jedenfalls nur noch
bergab (Anm.d. Red.: bis zum Abriss
der Anlage im Sommer 1993).
Mit der legendären Sendekennung
"Radio M 1" sendeten die
neuen Betreiber dann aber doch noch
einige Zeit vom Schwarzenstein. Wie
kam es schließlich zum Aus für den
Standort?
Rückblickend muss man sagen, dass
der Sender eigentlich nie eine
Zukunft hatte. Im Nachhinein erkennt
man so etwas. Ich hatte einfach nie
den nötigen politischen Rückhalt.
Im Gegenteil. Man hat meine Aktivitäten
als Einmischung in die Kompetenzen
der Telekommunikation Südtirols
gesehen. Natürlich habe ich mich
auch oft am Rande der Legalität
bewegt, aber das ist eher nebensächlich
gewesen. Leider wurde hier die
Chance vergeben, eine Nord-Süd-Verbindung
in Sachen Radio herzustellen.
Stattdessen wurde eine Abbruchverfügung
erlassen und schließlich auch in
die Tat umgesetzt.
Radio C, das ab 1984 vom Hühnerspiel
nach Deutschland sendete, hat ja ähnliche
Erfahrungen gemacht wie Du...
Ja, aber nur teilweise. Radio C
hatte einen ganz entscheidenden
Vorteil. Die haben sich immer nur im
Sterzinger Raum bewegt, und der
dortige Bezirksrichter war ganz
anderer Meinung als sein Kollege in
Bruneck. Der hat sich aus derartigen
Angelegenheiten immer rausgehalten,
ganz nach dm Motto "Das geht
mich nichts an". Entsprechend
ist er gegen Sendeanlagen nie
vorgegangen.
Vom Hühnerspiel konnte man ja
nur mit einem wesentlich höheren
technischen Aufwand in guter Qualität
nach Bayern senden als vom
Schwarzenstein. Wie sah es denn mit
dem Standort "Wilder Freiger"
aus, den Radio Transalpin als
Nachfolger der Freien Südtiroler
Welle benutzte?
Eigentlich ist der Wilde Freiger
auch nicht schlecht. Einziger
Nachteil ist, dass der Berg zu weit
westlich liegt und damit die
Nordkette der Alpen das Signal etwas
blockiert. Den besseren Öffnungswinkel
über den Achensee hatte natürlich
der Schwarzenstein. Aber man hätte
vom Freiger schon ein vernünftiges
Projekt realisieren können. Doch
leider ist bei den Planungen
ziemlich viel schief gelaufen, etwa
mit dem Stromkabel, das durch den
Gletscher verlegt worden war und ständig
abriss.
Wie siehst Du generell die
Zukunft von Ukw-Radio?
Grundsätzlich sollte ein Ukw-Sender
eine lokale Bedeutung haben. Ein
kleiner lokaler Sender müsste doch
genauso existieren können wie eine
lokale Zeitung. Digital ist das ja
nicht möglich, weil es hier immer
nur Programmpakete für einen weitläufigen,
also globalen Bereich gibt. Genau
hier müssten analoge Ukw-Sender,
die die lokale Information in den
Vordergrund stellen, in die Bresche
springen.
Roland, vielen Dank für dieses
ausführliche Gespräch.