'Der Sender auf dem Schwarzenstein hatte eigentlich nie eine Zukunft'

Zeitzeugen-Interview mit dem Sendetechniker Roland Huber
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Roland Huber betrieb in der Bozner Gerbergasse ein Elektronikfachgeschäft, als es ihn Anfang der Achtziger plötzlich auch in luftige Höhen zog. Nach Tests auf mehreren Südtiroler Berggipfeln entdeckte er den Gletscher Schwarzenstein im Ahrntal, der ihm  aufgrund seiner Lage und Beschaffenheit für Sendungen in Richtung Bayern als absolut ideal erschien. Und tatsächlich kamen die Programme von Radio Bavaria International/Radio M 1, Südtirol 1 oder Radio Tele Schwarzenstein, die von hier im Laufe der Jahre abgestrahlt wurden, in sensationeller Qualität in Süddeutschland (und teilweise weit darüber hinaus) an. Im Exklusiv-Interview erinnert sich Huber noch einmal an die Entstehungsgeschichte, die Erfolge, aber auch an die unerfreulichen Begebenheiten rund um die legendäre Sendeanlage, die das wohl wichtigste und aufregendste Kapitel in Sachen Privatradio in Südtirol schrieb. 

Roland, wie kamst Du eigentlich zum Radio?

Das geschah über einen Umweg. Ich wollte eigentlich nie Radio machen. Aber dann ist 1980 ein Politiker zu mir gekommen und erzählte von einem Bekannten in München, der gerne von Südtirol aus in die bayerische Landeshauptstadt senden würde. Wir haben dann einen Versuch von dem Berg Hühnerspiel aus durchgeführt (Anm. d. Red.: das war der spätere Senderstandort von Radio C). Das lief unter dem Namen "Radio 104". In einer Woche haben wir damals über 2000 Zuschriften bekommen. Bei Messungen in Bayern habe ich dann aber festgestellt, dass ein extrem hoher technischer Aufwand nötig sein würde, um ein sauberes Signal in Richtung Norden gewährleisten zu können. Mit der Energie von zwei Kilowatt, die auf dem Hühnerspiel zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stand, wäre das nie möglich gewesen.

Das Projekt wurde demnach zunächst einmal fallen gelassen, doch dann hast Du den Schwarzenstein entdeckt...

Ich wusste, dass vom Schwarzenstein direkte Sichtverbindung nach Deutschland besteht. Entsprechende Tests - unter anderem mit einem 20-Watt-Ukw-Sender mit Batteriebetrieb - haben dies bestätigt. Der Antennengewinn war stets höher als bei allen anderen Standorten, die bisher in Betrieb waren. 

Du hast dann eine provisorische Genehmigung zur Errichtung einer Sendeanlage beantragt...

Ja, bereits im Jahre 1981. Diese wurde auf zwei Jahre bewilligt. 1983 - nach der Erneuerung der Genehmigung - habe ich schließlich die Anlage errichtet. Im Juli dieses Jahres ging alles in Betrieb (Anm. d. Red.: mit dem Programm von Radio Bavaria International, das wenig später in Radio M 1 umbenannt wurde), doch schon im Oktober wurde ein Attentat auf die Anlage verübt. Die Halteseile der Antenne wurden gekappt; die stürzte daraufhin den Berg hinunter. Zur gleichen Zeit war Radio Brenner gerade dabei, auf dem Schwarzenstein ein Parallelanlage zu errichten. Gegen dieser Vorhaben bin ich damals vorgegangen, weil es dafür überhaupt keine Genehmigung gab. Ich hatte einfach die Befürchtung, dass ich mit der Brenner-Anlage irgendwie in Verbindung gebracht werden könnte. Der Bau von Radio Brenner wurde daraufhin eingestellt. Das Attentat auf meine Anlage war dann - das weiß ich heute definitiv - eine Art Racheakt.

Aber auch Radio M 1 sendete in der Folge nur noch wenige Tage...

Wir waren gerade dabei, die Antenne neu aufzubauen, als die Gerichtspolizei die angeblich illegal errichtete Anlage plötzlich versiegelt hat. Im Zuge des Wiederaufbaus haben wir zu diesem Zeitpunkt auch nachgetankt. Und dabei passierte ein Unfall. Der Hubschrauber konnte die Ladung aufgrund von Turbulenzen nicht mehr halten und hat sie daraufhin ausgeklinkt. Die Fässer mit 600 bis 700 Liter Diesel fielen auf den Gletscher und brachen dabei teilweise auf. Da diese beiden Ereignisse zeitlich sehr dicht beieinander liegen, wird oft behauptet, die Versiegelung wäre eine Folge des Ölunfalls gewesen. Das ist aber falsch. Das Dekret zur Versiegelung war schon einige Tage vor dem Unfall vom Brunecker Bezirksrichter unterschrieben worden. Allerdings hat die Geschichte mit den Ölfässern den Richter sicher dazu veranlasst, die Versiegelung längere Zeit aufrecht zu erhalten.

Einige Jahre später wurde die Anlage dann aber wieder entsiegelt. Wie kam es dazu?

Das hat bis 1985 gedauert, was mit der italienischen Justiz zusammenhängt. Ein Bezirksrichter hatte damals sehr große Macht. Er war gleichzeitig auch noch Untersuchungsrichter und Staatsanwalt. Er konnte also tun und lassen, was er wollte. Und ich konnte nicht einmal eine Schadensersatzforderung stellen, obwohl ich 1986 in zweiter Instanz vom Vorwurf, ein illegales Bauwerk errichtet zu haben, freigesprochen wurde. Noch ein Wort zum Ölunfall: Natürlich gab es auch in dieser Sache einen Prozess. Aber zu dem war ich nicht einmal eingeladen. Ich habe nach meinem Freispruch die Anlage jedenfalls wieder in Betrieb genommen und wenig später einen Vertrag mit Radio Brenner (Anm.d.Red: das fortan unter dem Namen "Südtirol 1" sendete) abgeschlossen. Gleichzeitig erfolgte die Umstellung von Diesel auf Gas zur Energieversorgung. Allerdings  hat der Bezirksrichter die Anlage noch im selben Jahr erneut versiegelt - mit dem Argument, ich würde verbotenerweise gezielt ins Ausland senden. Dann wurde aber das alte Strafgesetzt gekippt, und es gab 1987 auch eine neue Regelung in Sachen Sendebetrieb. Plötzlich waren Sendungen ins Ausland erlaubt. Und weil ich mittlerweile auch die Möglichkeit gehabt hätte, Schadensersatzforderungen zu stellen, wurde die Anlage sofort entsiegelt.

Einige Zeit lang ging  ja alles gut, Südtirol 1 sendete ungestört in Richtung Bayern. Doch dann kam es zu dem Brandanschlag...

Ja, das war 1989. Ich habe dann zwar die Anlage sehr schnell wieder aufgebaut und in Betrieb gesetzt, doch gab es in der Folge zunehmend Probleme mit meinem Vertragspartner Radio Brenner. Ich habe deswegen nach einer Alternative gesucht und diese auch gefunden (Anm.d.Red.: es handelte sich um die Familie Führer). Doch war diese Lösung nicht unbedingt glücklich. In der Folgezeit ging es mit der Sendeanlage jedenfalls nur noch bergab (Anm.d. Red.: bis zum Abriss der Anlage im Sommer 1993). 

Mit der legendären Sendekennung "Radio M 1" sendeten die neuen Betreiber dann aber doch noch einige Zeit vom Schwarzenstein. Wie kam es schließlich zum Aus für den Standort?

Rückblickend muss man sagen, dass der Sender eigentlich nie eine Zukunft hatte. Im Nachhinein erkennt man so etwas. Ich hatte einfach nie den nötigen politischen Rückhalt. Im Gegenteil. Man hat meine Aktivitäten als Einmischung in die Kompetenzen der Telekommunikation Südtirols gesehen. Natürlich habe ich mich auch oft am Rande der Legalität bewegt, aber das ist eher nebensächlich gewesen. Leider wurde hier die Chance vergeben, eine Nord-Süd-Verbindung in Sachen Radio herzustellen. Stattdessen wurde eine Abbruchverfügung erlassen und schließlich auch in die Tat umgesetzt.
 
Radio C, das ab 1984 vom Hühnerspiel nach Deutschland sendete, hat ja ähnliche Erfahrungen gemacht wie Du...

Ja, aber nur teilweise. Radio C hatte einen ganz entscheidenden Vorteil. Die haben sich immer nur im Sterzinger Raum bewegt, und der dortige Bezirksrichter war ganz anderer Meinung als sein Kollege in Bruneck. Der hat sich aus derartigen Angelegenheiten immer rausgehalten, ganz nach dm Motto "Das geht mich nichts an". Entsprechend ist er gegen Sendeanlagen nie vorgegangen.

Vom Hühnerspiel konnte man ja nur mit einem wesentlich höheren technischen Aufwand in guter Qualität nach Bayern senden als vom Schwarzenstein. Wie sah es denn mit dem Standort "Wilder Freiger" aus, den Radio Transalpin als Nachfolger der Freien Südtiroler Welle benutzte?

Eigentlich ist der Wilde Freiger auch nicht schlecht. Einziger Nachteil ist, dass der Berg zu weit westlich liegt und damit die Nordkette der Alpen das Signal etwas blockiert. Den besseren Öffnungswinkel über den Achensee hatte natürlich der Schwarzenstein. Aber man hätte vom Freiger schon ein vernünftiges Projekt realisieren können. Doch leider ist bei den Planungen ziemlich viel schief gelaufen, etwa mit dem Stromkabel, das durch den Gletscher verlegt worden war und ständig abriss.

Wie siehst Du generell die Zukunft von Ukw-Radio?

Grundsätzlich sollte ein Ukw-Sender eine lokale Bedeutung haben. Ein kleiner lokaler Sender müsste doch genauso existieren können wie eine lokale Zeitung. Digital ist das ja nicht möglich, weil es hier immer nur Programmpakete für einen weitläufigen, also globalen Bereich gibt. Genau hier müssten analoge Ukw-Sender, die die lokale Information in den Vordergrund stellen, in die Bresche springen.

Roland, vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch.