Herr
Hölzl, was zog Sie seinerzeit zum Radio? Hatten Sie
einen Bezug zu diesem Medium und zur Musik (z.B. als
Discjockey)?
Ich bin in München
aufgewachsen und zur Schule gegangen. Schon mit 15
Jahren wollte ich zum Radio, doch das sollte noch eine
ganze Zeit lang dauern. Muttern meinte, ich müsste
erst mal einen ordentlichen Beruf erlernen. Deshalb
habe ich eine Lehre als Schriftsetzer und Stereotypeur
gemacht und anschließend viele Jahre in diesem Beruf
gearbeitet. Dann hatte ich das Wahnsinnsglück, in
einer Kneipe die AFN-Legende Mal Sandock kennen zu
lernen. Wir Jungs damals haben nur AFN gehört, denn
der BR, also der Bayerische Rundfunk, war zur
damaligen Zeit alles andere als offen für junge
Leute. Mal Sandock hat mich angelernt, und ich durfte
ihn dann auch schon mal stundenweise vertreten. Schließlich
kam das erste Angebot als DJ in Landshut, dort war ich
dann fast drei Jahre. Meinen Beruf hatte ich
geschmissen (Glück gehabt, denn den gibt es heute gar
nicht mehr) und bin insgesamt zehn Jahre als DJ durchs
Land und auch durchs Ausland gezogen. Zu jener Zeit
hab ich mich bestimmt drei bis vier Mal beim BR
beworben und jedes Mal eine Absage bekommen,
"weil man an Ihrer Aussprache immer noch merkt,
dass sie aus Bayern stammen".
Auch Ihre ersten Kontakte zu einem privaten
Radiosender verliefen ja nicht unbedingt erfreulich,
oder?
Ich hatte meinen Traum vom Radio fast schon
aufgegeben, da las ich von Jo Lüders und Radio
Bavaria International (RBI), seinem Studio im Citta
2000 in Schwabing und seiner Idee, in München
produzierte Radiosendungen für junge Leute per
Tonband nach Südtirol zu bringen und von dort zurück
nach Bayern auszustrahlen. Da musste ich hin, den Mann
wollte ich kennen lernen. Vielleicht wollte mich ja
der haben. Die Enttäuschung war jedoch groß, als ich
im Citta 2000 anklopfte. Jo Lüders ließ mich
zwischen Tür und Angel abblitzen und meinte nur:
"Was willst Du? Hier gibt's nichts zu tun für
Dich. Tschüss." Ich durfte damals nicht mal den
Raum betreten, der durch die Glasscheibe mit den
Studioanlagen auf mich sehr anziehend wirkte. Jetzt
war mein Traum Radio wohl endgültig den Bach runter
gegangen. Ich demontierte mein selbstgebautes
Heimstudio, mit dem ich unzählige Sendungen nur für
meine arme Freundin produziert hatte, die sich jeden
Tag meinen "Mist" anhören durfte, und
versuchte, "Radio" zu vergessen.
Dann hat es aber doch noch mit dem Sprung zum Radio
geklappt. Wie lief das damals ab?
Wochen später kam ich wieder am Citta vorbei und
logisch guckte ich auch nach dem Studio. Da saß
diesmal nicht der Herr Lüders, sondern ein junger,
blonder Typ, der mich doch glatt hereingelassen hat.
Dieser Typ nahm nach einem längeren Gespräch sogar
meine Telefonnummer und er sagte, dass ich vielleicht
von ihm hören werde. Beseelt von der Hoffnung, dass
es doch noch was werden könnte, ging ich heim. Drei
bis vier Wochen später kam tatsächlich der Anruf,
dass wir uns im Hotel Königshof treffen sollten. Der
junge Typ war Christoph Schmitz, der neue Chef von
Radio Bavaria. Schmitz verfrachtete mich nach einem
guten Essen ins Auto, fuhr mit mir ins Citta und ließ
mich zwei Stunden "senden" - auf Band unter
Live-Bedingungen. Kurzum: Schmitz hat es gefallen.
Wenn ich wollte, könnte ich dabei sein, hat er
gesagt. Und ob ich wollte. Ab ging's nach Sterzing.
Ihre erste Hörfunk-Station war also Radio Bavaria
International. Der Empfang des Senders in Bayern war
ja leider nicht so gut wie von den Betreibern
ursprünglich erwartet. Wie ist man mit dieser
Situation umgegangen?
Also ganz ehrlich: Wir Jungs waren in erster Linie
happy, weil wir Radio machen durften. Ich habe damals
in Pasing gewohnt und sogar im Autoradio unseren
Sender gehört. Aber natürlich wurde ständig nach
Möglichkeiten gesucht, den Empfang zu verbessern
(bessere Standorte für die Sendemasten, höhere
Sendeleistung u.s.w.). Radio Brenner war zwar zu
dieser Zeit eine große Konkurrenz für uns, aber wir
haben, glaube ich, ganz gut mitgehalten. Im Gegensatz
zu Brenner war unsere Musik mehr für die jungen Leute
gedacht. Und die Resonanz war durchaus in Ordnung: Wir
haben für damalige Verhältnisse viele Anrufe
bekommen und auch viel Hörerpost.
Wie haben Sie 1983 den Umzug der Sendeanlage auf
den Schwarzenstein erlebt?
Christoph Schmitz spielte eigentlich immer mit dem
Hintergrundwissen, das er als Geschäftsführer hatte.
Er kündigte uns nur was Großes an und sagte, dass
wir bald ganz Deutschland mit unserem Sender erreichen
würden. Genaues wusste vom Team eigentlich keiner.
Wohl auch, weil die Konkurrenz von Radio Brenner davon
keinen Wind bekommen sollte. Plötzlich hieß es dann:
Umzug nach Bozen in die Italienstraße. Und der
Sendemast steht jetzt auf dem Schwarzenstein.
Die drei Monate Radio M 1 im Sommer 1983 gehören
sicher auch heute noch zu den Highlights der
Radiogeschichte Bayerns. Das Programm war
revolutionär, die Moderatoren wirkten höchst
motiviert. Wie war damals die Stimmung im Team?
Das war wohl die geilste Zeit beim Radio
überhaupt für uns alle. Plötzlich kamen Anrufe aus
Bremen, Hannover, Frankfurt oder Prag. Von München
gar nicht zu reden. Wir sorgten sogar für
Schlagzeilen in der Zeitung, dabei machten wir doch
nur das Radio, das die Leute damals so schmerzlich
vermisst hatten. Eben junges, flottes Radio rund um
die Uhr. Logisch hat uns das angespornt.
Als die Sendeanlage auf dem Schwarzenstein still
gelegt wurde, verbreitete man ja zunächst noch, es
handele sich um einen kurzfristigen, technisch
bedingten Ausfall. Wusste das Team denn sofort
Bescheid?
Als plötzlich nichts mehr ging, hieß es, das sei nur
eine Sache von Stunden. Nach zwei bis drei Tagen kam
dann der Marschbefehl 'Ab nach Hause, das dauert
einige Zeit'. Die Techniker sagten zu diesem Zeitpunkt
noch, sie hätten alles im Griff. Doch nach drei
bis vier Wochen war klar, dass Bozen für M1
Vergangenheit ist.
Nicht selten wurde in der Zeit nach der Stilllegung
behauptet, bei entsprechendem Engagement seitens des
Hauptgeldgebers Dr. Rolf Egli wäre eine erneute
Inbetriebnahme der Anlage durchaus möglich gewesen.
Der Schweizer habe aber gar kein Interesse mehr daran
gehabt, da in den drei Monaten Unsummen (u.a. auch an
Spesen) verpulvert worden seien. Können Sie diese
Ansicht nachvollziehen?
Dazu kann ich nur sagen, dass wir damals alle
gerne wieder nach Bozen gegangen wären. Allein schon
wegen der bombastischen Reichweite und der
wahnsinnigen Hörer-Resonanz. Aber wie immer erfuhren
wir nur sehr wenig was wirtschaftliche Dinge anging.
In finanzielle Belange des Senders hatten wir keinen
Einblick. Dass Dr. Egli der Mann war, der das alles im
Hintergrund leitete, haben wir erst in München
erfahren - kurz bevor Dr. Egli mal vorbei schaute. Das
alles war uns aber auch mehr oder weniger wurscht. Wir
wollten Radio machen.
Trotz der ‚sendefreien’ Zeit bis zum April 1984
ist damals beinahe das ganze Team zusammen geblieben.
Gab es Durchhalteparolen?
Durchhalteparolen gab es dahin gehend, dass wir ja
den Kabelstart vor Augen hatten und wir jetzt einfach
gemeinsam was Neues anfangen wollten. Irgendwie haben
wir damals alle gut zusammen gepasst im Team.
Ins Kabelpilotprojekt startete Radio M 1 im April
1984 mit neuem Elan, der aber schon bald Ernüchterung
wich. Die Hörerzahlen waren einfach zu gering,
teilweise hatte man den Eindruck, unter Ausschluss der
Öffentlichkeit zu senden.
Dass wir plötzlich nur noch eine Hand voll
Zuhörer haben, wurde uns erst klar, als das
Kabelprojekt bereits lief. Man spürte schon, dass was
in der Luft lag und dass es nicht lange so weitergehen
kann.
Noch bevor M 1 von Dr. Egli an Maria-Theresia von
Seidlein verkauft wurde, hat ein Großteil des Teams
– darunter auch Sie – den Sender Hals über Kopf
verlassen. Warum?
Eines Tages ging das Gerücht um, dass eine Frau
Seidlein den Sender kaufen und gänzlich
umstrukturieren will. Da waren wir natürlich
verunsichert. Da sich das Gerücht schnell
verbreitete, kam in meinem Fall eines Tages der Anruf
von Peter Pelunka von Radio Aktiv. Bei M 1 war der
Untergang abzusehen, und so nahm ich das Angebot von
Pelunka an.
War zu dem Zeitpunkt Ihres Wechsels zu Radio Aktiv
schon klar, dass Sie wenig später zu Radio Gong gehen
würden? Immerhin war dort ja zu diesem Zeitpunkt
bereits Ihr
M 1-Kollege Walter Freiwald tätig.
Walter Freiwald hat ein paar Mal mit mir wegen
Gong telefoniert und gesagt, dass dort ja die fast
gesamte alte Crew von M 1 wieder für Furore sorgen
will. Aber ich hatte mich bei Aktiv eingewöhnt und
mich in die Sekretärin verliebt, die neben Pelunka
das Herzstück des Senders war. Ich wollte also
eigentlich nicht zu Gong. Wie das Leben aber so
spielt, ging die Liaison kurz vor Weihnachten mit
einem deftigen Schlag in die Brüche, und da hatte ich
den Salat. Zwei Wochen vor dem Gong-Sendestart rief
ich verzweifelt bei Walter Freiwald an und sagte, dass
ich doch kommen möchte. Hoffnung hatte ich da keine,
zumal bei Gong schon alles in Startposition war und
schon der Countdown lief. Dann lud mich
Gong-Chefredakteur Helmut Markwort (heute Focus-Chef)
auf ein Gespräch ein, und ich bekam den Job doch noch
in allerletzter Sekunde.
Bei
Gong haben Sie sich unter anderem durch die
Sendung „Immer am Ball“ den Ruf des großen
Fußballfans erworben (speziell FC Bayern München).
Würden Sie auch heute noch gerne eine
Sportsendung im Radio moderieren?
Das
mit Gong war ein echter Glücksfall. Acht
Jahre lang habe ich jeden Wochentag die
Funkkantine von 12 bis 14 Uhr moderiert und
am Samstag den Sportnachmittag 'Immer am
Ball'. Dann trat der FC Bayern an mich
heran, und ich machte dort den
Stadionsprecher bei Heimspielen. Allerdings
nicht lange, weil Markwort mich lieber
wieder im Studio haben wollte. Aber ich
durfte die Auswärtsspiele als Reporter
kommentieren. Mein Mentor war der sagenhafte
Günther Wolfbauer, der mir alle Tricks und
Kniffe beibrachte. 1989 bekam ich für die
Übertragung des entscheidenden
Meisterschaftsspiels Köln gegen Bayern
(1:3) den Bayerischen Medienpreis in der
Kategorie Sport überreicht. Natürlich würde
ich heute auch noch gerne Fußballspiele im
Radio übertragen. Schwimmen und Rad fahren
verlernt man ja auch nicht.
Nach
ihrem Weggang von Gong im Jahre 1993 hatte
man Sie etwas aus den Augen verloren. Was
gab es für Stationen, bevor Sie 1999 nach
Kempten kamen?
Anfang
1993 verließ ich Radio Gong in Richtung
Lindau am Bodensee. Ich war damals gerade
Vater geworden. Meine Frau stammt vom
Bodensee, und wir wollten nicht, dass unser
Kind in der Großstadt aufwächst. Dazu kam,
dass bereits zuvor Helmut Markwort bei Gong
seine Sachen gepackt hatte und Focus-Chef
geworden war. Mit Markwort und seiner
rechten Hand Uli Baur stand und fiel meiner
Meinung nach das Projekt Radio Gong. Und das
hat sich ja dann auch bewahrheitet. Da wurde
über Nacht alles verändert, was auch nur
annähernd beweglich war. Die Nachrichten
kamen plötzlich um sieben Minuten vor der
vollen Stunde, irrwitzige Playlisten von
Radio Holstein aus Kiel mussten abgenudelt
werden, die Moderationsuhr (Stundenuhr)
wurde eingeführt und man durfte so gut wie
nichts mehr aus dem Bauch heraus machen. Ein
gewisser Herr Stümpert wirbelte damals
alles durcheinander, und keiner wollte mehr
so richtig. Radio Gong sackte dann auch so
was von ab. Fünf Jahre lang war man
unangefochten die Nummer eins in München
gewesen, quasi über Nacht ging es in der Hörergunst
runter auf den fünften Platz. Da kam die
Idee, an den Bodensee zu ziehen, gerade
recht. Ich ging zunächst zu Radio Lindau,
neun Monate später wechselte ich aber schon
zu Radio 7 in Ulm. Dort blieb ich bis
November 1999. Seit Dezember 1999 bin ich
bei RSA Radio in Kempten im schönen Allgäu,
wo ich auch lebe.
Wenn
Sie heute zurück blicken: Was waren Ihre
persönlichen Highlight Ihrer Radio
Laufbahn, was waren die Tiefpunkte?
Die
schlechten Sachen vorneweg: Tiefpunkte waren
das Ende von M 1 in Bozen und später in München
und auch die grausame Umstrukturierung bei
Radio Gong; dazu noch eine berufliche Enttäuschung
bei Radio Lindau. Highlights waren Fanpost
und Anrufe (bei M 1 in Bozen) aus fast ganz
Deutschland und der (damaligen)
Tschechoslowakei. Das war ja alles neu für
mich. Ferner: Im Olympiastadion in München
(ausverkauft) am Mittelkreis die Vorstellung
von Europacup-Sieger Juventus Turin und dem
FC Bayern, die Entgegennahme des
Medienpreises und auch die vielen
Live-Interviews bei Gong (unter anderem mit
Tony Curtis, Elton John, Jürgen Prochnow
oder Diego Maradona). Dazu kommt noch für
mich als Fußballfan noch ein Spiel für
Radio Gong im Dress des FC Bayern gegen eine
Promi-Auswahl. Manager Uli Hoeneß und
Presse-Chef Markus Hörwick haben mir damals
die nagelneuen und noch in Folie verpackten
Trikots, Hosen und Stutzen des FC Bayern für
dieses Spiel mitgegeben. Ach, da gäbe es
noch viel zu erzählen...
Ziehen
Sie bitte mal eine Bilanz nach 20 Jahren
Privatradio in Bayern. Ging die Entwicklung
bis zum heutigen Tag in die richtige
Richtung? Wie beurteilen Sie die heutige Hörfunklandschaft
im Freistaat?
Gestartet
ist der Privatfunk damals sicher mit ganz
anderen Erwartungen. Man wollte sich
deutlich abheben von den öffentlich-rechtlichen
Sendern, was aber aus jetziger Sicht total
daneben gegangen ist. Doch wer überleben
will ohne jeden Cent an Einnahmen aus
Rundfunkgebühren, muss sich wohl dem
Kommerz beugen. Wie viele Privatradios
existieren denn noch? Verglichen mit den Anfängen
vor über 20 Jahren ist doch nur noch ein
ganz kleines Häuflein übrig. Und 90
Prozent der Sender gehören irgendwelchen
Großkonzernen. Ehrlich gesagt: Ich habe den
Eindruck, dass die Sender heute alle gleich
klingen. Und wenn ich mir das private
Fernsehen so anschaue - ich glaube, dann
schalte ich besser ab.
Herr Hölzl, vielen Dank für dieses ausführliche
und aufschlussreiche Interview.
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