Plötzlich hieß es 'Umzug nach Bozen in die Italienstraße'

Interview mit Moderator Rick Hölzl
(Radio M1, Radio Gong, Radio Lindau, Radio 7, RSA Kempten)
(Copyright: uhini.de - 2006)

Rick Hölzl gehört zu den absoluten Urgesteinen des Privatradios in Bayern. Der gebürtige Passauer saß bereits in den frühen Achtzigern bei Radio Bavaria International und Radio M1 am Mikrofon, als diese noch von Südtirol aus in den Freistaat strahlten. Weitere Stationen waren in der Folge Radio M 1 im Kabelpilotprojekt München, Radio Gong 2000, wo Hölzl die Mittagssendung sowie den samstäglichen Sportnachmittag moderierte. Zuletzt war er bei RSA Radio in Kempten tätig, mitlerweile befindet er sich im wohlverdienten Ruhestand.  Exklusiv für uhini.de blickt Rick Hölzl zurück auf bewegte Radiozeiten: die Ära der echten Pioniere, die mit unglaublicher Begeisterung für das Medium Radio von Italien aus den Boden für Privatsender in Bayern überhaupt erst bereiteten.

Rick Hölzl


Herr Hölzl, was zog Sie seinerzeit zum Radio? Hatten Sie einen Bezug zu diesem Medium und zur Musik (z.B. als Discjockey)?


Ich bin in München aufgewachsen und zur Schule gegangen. Schon mit 15 Jahren wollte ich zum Radio, doch das sollte noch eine ganze Zeit lang dauern. Muttern meinte, ich müsste erst mal einen ordentlichen Beruf erlernen. Deshalb habe ich eine Lehre als Schriftsetzer und Stereotypeur gemacht und anschließend viele Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Dann hatte ich das Wahnsinnsglück, in einer Kneipe die AFN-Legende Mal Sandock kennen zu lernen. Wir Jungs damals haben nur AFN gehört, denn der BR, also der Bayerische Rundfunk, war zur damaligen Zeit alles andere als offen für junge Leute. Mal Sandock hat mich angelernt, und ich durfte ihn dann auch schon mal stundenweise vertreten. Schließlich kam das erste Angebot als DJ in Landshut, dort war ich dann fast drei Jahre. Meinen Beruf hatte ich geschmissen (Glück gehabt, denn den gibt es heute gar nicht mehr) und bin insgesamt zehn Jahre als DJ durchs Land und auch durchs Ausland gezogen. Zu jener Zeit hab ich mich bestimmt drei bis vier Mal beim BR beworben und jedes Mal eine Absage bekommen, "weil man an Ihrer Aussprache immer noch merkt, dass sie aus Bayern stammen". 

Auch Ihre ersten Kontakte zu einem privaten Radiosender verliefen ja nicht unbedingt erfreulich, oder?

Ich hatte meinen Traum vom Radio fast schon aufgegeben, da las ich von Jo Lüders und Radio Bavaria International (RBI), seinem Studio im Citta 2000 in Schwabing und seiner Idee, in München produzierte Radiosendungen für junge Leute per Tonband nach Südtirol zu bringen und von dort zurück nach Bayern auszustrahlen. Da musste ich hin, den Mann wollte ich kennen lernen. Vielleicht wollte mich ja der haben. Die Enttäuschung war jedoch groß, als ich im Citta 2000 anklopfte. Jo Lüders ließ mich zwischen Tür und Angel abblitzen und meinte nur: "Was willst Du? Hier gibt's nichts zu tun für Dich. Tschüss." Ich durfte damals nicht mal den Raum betreten, der durch die Glasscheibe mit den Studioanlagen auf mich sehr anziehend wirkte. Jetzt war mein Traum Radio wohl endgültig den Bach runter gegangen. Ich demontierte mein selbstgebautes Heimstudio, mit dem ich unzählige Sendungen nur für meine arme Freundin produziert hatte, die sich jeden Tag meinen "Mist" anhören durfte, und versuchte, "Radio" zu vergessen. 

Dann hat es aber doch noch mit dem Sprung zum Radio geklappt. Wie lief das damals ab?

Wochen später kam ich wieder am Citta vorbei und logisch guckte ich auch nach dem Studio. Da saß diesmal nicht der Herr Lüders, sondern ein junger, blonder Typ, der mich doch glatt hereingelassen hat. Dieser Typ nahm nach einem längeren Gespräch sogar meine Telefonnummer und er sagte, dass ich vielleicht von ihm hören werde. Beseelt von der Hoffnung, dass es doch noch was werden könnte, ging ich heim. Drei bis vier Wochen später kam tatsächlich der Anruf, dass wir uns im Hotel Königshof treffen sollten. Der junge Typ war Christoph Schmitz, der neue Chef von Radio Bavaria. Schmitz verfrachtete mich nach einem guten Essen ins Auto, fuhr mit mir ins Citta und ließ mich zwei Stunden "senden" - auf Band unter Live-Bedingungen. Kurzum: Schmitz hat es gefallen. Wenn ich wollte, könnte ich dabei sein, hat er gesagt. Und ob ich wollte. Ab ging's nach Sterzing.

Ihre erste Hörfunk-Station war also Radio Bavaria International. Der Empfang des Senders in Bayern war ja leider nicht so gut wie von den Betreibern ursprünglich erwartet. Wie ist man mit dieser Situation umgegangen?

Also ganz ehrlich: Wir Jungs waren in erster Linie happy, weil wir Radio machen durften. Ich habe damals in Pasing gewohnt und sogar im Autoradio unseren Sender gehört. Aber natürlich wurde ständig nach Möglichkeiten gesucht, den Empfang zu verbessern (bessere Standorte für die Sendemasten, höhere Sendeleistung u.s.w.). Radio Brenner war zwar zu dieser Zeit eine große Konkurrenz für uns, aber wir haben, glaube ich, ganz gut mitgehalten. Im Gegensatz zu Brenner war unsere Musik mehr für die jungen Leute gedacht. Und die Resonanz war durchaus in Ordnung: Wir haben für damalige Verhältnisse viele Anrufe bekommen und auch viel Hörerpost.

Wie haben Sie 1983 den Umzug der Sendeanlage auf den Schwarzenstein erlebt?

Christoph Schmitz spielte eigentlich immer mit dem Hintergrundwissen, das er als Geschäftsführer hatte. Er kündigte uns nur was Großes an und sagte, dass wir bald ganz Deutschland mit unserem Sender erreichen würden. Genaues wusste vom Team eigentlich keiner. Wohl auch, weil die Konkurrenz von Radio Brenner davon keinen Wind bekommen sollte. Plötzlich hieß es dann: Umzug nach Bozen in die Italienstraße. Und der Sendemast steht jetzt auf dem Schwarzenstein.

Die drei Monate Radio M 1 im Sommer 1983 gehören sicher auch heute noch zu den Highlights der Radiogeschichte Bayerns. Das Programm war revolutionär, die Moderatoren wirkten höchst motiviert. Wie war damals die Stimmung im Team? 

Das war wohl die geilste Zeit beim Radio überhaupt für uns alle. Plötzlich kamen Anrufe aus Bremen, Hannover, Frankfurt oder Prag. Von München gar nicht zu reden. Wir sorgten sogar für Schlagzeilen in der Zeitung, dabei machten wir doch nur das Radio, das die Leute damals so schmerzlich vermisst hatten. Eben junges, flottes Radio rund um die Uhr. Logisch hat uns das angespornt. 

Als die Sendeanlage auf dem Schwarzenstein still gelegt wurde, verbreitete man ja zunächst noch, es handele sich um einen kurzfristigen, technisch bedingten Ausfall. Wusste das Team denn sofort Bescheid? 

Als plötzlich nichts mehr ging, hieß es, das sei nur eine Sache von Stunden. Nach zwei bis drei Tagen kam dann der Marschbefehl 'Ab nach Hause, das dauert einige Zeit'. Die Techniker sagten zu diesem Zeitpunkt noch, sie hätten alles im Griff.  Doch nach drei bis vier Wochen war klar, dass Bozen für M1 Vergangenheit ist. 

Nicht selten wurde in der Zeit nach der Stilllegung behauptet, bei entsprechendem Engagement seitens des Hauptgeldgebers Dr. Rolf Egli wäre eine erneute Inbetriebnahme der Anlage durchaus möglich gewesen. Der Schweizer habe aber gar kein Interesse mehr daran gehabt, da in den drei Monaten Unsummen (u.a. auch an Spesen) verpulvert worden seien. Können Sie diese Ansicht nachvollziehen? 

Dazu kann ich nur sagen, dass wir damals alle gerne wieder nach Bozen gegangen wären. Allein schon wegen der bombastischen Reichweite und der wahnsinnigen Hörer-Resonanz. Aber wie immer erfuhren wir nur sehr wenig was wirtschaftliche Dinge anging. In finanzielle Belange des Senders hatten wir keinen Einblick. Dass Dr. Egli der Mann war, der das alles im Hintergrund leitete, haben wir erst in München erfahren - kurz bevor Dr. Egli mal vorbei schaute. Das alles war uns aber auch mehr oder weniger wurscht. Wir wollten Radio machen.

Trotz der ‚sendefreien’ Zeit bis zum April 1984 ist damals beinahe das ganze Team zusammen geblieben. Gab es Durchhalteparolen? 

Durchhalteparolen gab es dahin gehend, dass wir ja den Kabelstart vor Augen hatten und wir jetzt einfach gemeinsam was Neues anfangen wollten. Irgendwie haben wir damals alle gut zusammen gepasst im Team. 

Ins Kabelpilotprojekt startete Radio M 1 im April 1984 mit neuem Elan, der aber schon bald Ernüchterung wich. Die Hörerzahlen waren einfach zu gering, teilweise hatte man den Eindruck, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu senden. 

Dass wir plötzlich nur noch eine Hand voll Zuhörer haben, wurde uns erst klar, als das Kabelprojekt bereits lief. Man spürte schon, dass was in der Luft lag und dass es nicht lange so weitergehen kann.

Noch bevor M 1 von Dr. Egli an Maria-Theresia von Seidlein verkauft wurde, hat ein Großteil des Teams – darunter auch Sie – den Sender Hals über Kopf verlassen. Warum? 

Eines Tages ging das Gerücht um, dass eine Frau Seidlein den Sender kaufen und gänzlich umstrukturieren will. Da waren wir natürlich verunsichert. Da sich das Gerücht schnell verbreitete, kam in meinem Fall eines Tages der Anruf von Peter Pelunka von Radio Aktiv. Bei M 1 war der Untergang abzusehen, und so nahm ich das Angebot von Pelunka an.

War zu dem Zeitpunkt Ihres Wechsels zu Radio Aktiv schon klar, dass Sie wenig später zu Radio Gong gehen würden? Immerhin war dort ja zu diesem Zeitpunkt bereits Ihr
M 1-Kollege Walter Freiwald tätig.

Walter Freiwald hat ein paar Mal mit mir wegen Gong telefoniert und gesagt, dass dort ja die fast gesamte alte Crew von M 1 wieder für Furore sorgen will. Aber ich hatte mich bei Aktiv eingewöhnt und mich in die Sekretärin verliebt, die neben Pelunka das Herzstück des Senders war. Ich wollte also eigentlich nicht zu Gong. Wie das Leben aber so spielt, ging die Liaison kurz vor Weihnachten mit einem deftigen Schlag in die Brüche, und da hatte ich den Salat. Zwei Wochen vor dem Gong-Sendestart rief ich verzweifelt bei Walter Freiwald an und sagte, dass ich doch kommen möchte. Hoffnung hatte ich da keine, zumal bei Gong schon alles in Startposition war und schon der Countdown lief. Dann lud mich Gong-Chefredakteur Helmut Markwort (heute Focus-Chef) auf ein Gespräch ein, und ich bekam den Job doch noch in allerletzter Sekunde.

Bei Gong haben Sie sich unter anderem durch die Sendung „Immer am Ball“ den Ruf des großen Fußballfans erworben (speziell FC Bayern München). Würden Sie auch heute noch gerne eine Sportsendung im Radio moderieren?

Das mit Gong war ein echter Glücksfall. Acht Jahre lang habe ich jeden Wochentag die Funkkantine von 12 bis 14 Uhr moderiert und am Samstag den Sportnachmittag 'Immer am Ball'. Dann trat der FC Bayern an mich heran, und ich machte dort den Stadionsprecher bei Heimspielen. Allerdings nicht lange, weil Markwort mich lieber wieder im Studio haben wollte. Aber ich durfte die Auswärtsspiele als Reporter kommentieren. Mein Mentor war der sagenhafte Günther Wolfbauer, der mir alle Tricks und Kniffe beibrachte. 1989 bekam ich für die Übertragung des entscheidenden Meisterschaftsspiels Köln gegen Bayern (1:3) den Bayerischen Medienpreis in der Kategorie Sport überreicht. Natürlich würde ich heute auch noch gerne Fußballspiele im Radio übertragen. Schwimmen und Rad fahren verlernt man ja auch nicht.

Nach ihrem Weggang von Gong im Jahre 1993 hatte man Sie etwas aus den Augen verloren. Was gab es für Stationen, bevor Sie 1999 nach Kempten kamen?

Anfang 1993 verließ ich Radio Gong in Richtung Lindau am Bodensee. Ich war damals gerade Vater geworden. Meine Frau stammt vom Bodensee, und wir wollten nicht, dass unser Kind in der Großstadt aufwächst. Dazu kam, dass bereits zuvor Helmut Markwort bei Gong seine Sachen gepackt hatte und Focus-Chef geworden war. Mit Markwort und seiner rechten Hand Uli Baur stand und fiel meiner Meinung nach das Projekt Radio Gong. Und das hat sich ja dann auch bewahrheitet. Da wurde über Nacht alles verändert, was auch nur annähernd beweglich war. Die Nachrichten kamen plötzlich um sieben Minuten vor der vollen Stunde, irrwitzige Playlisten von Radio Holstein aus Kiel mussten abgenudelt werden, die Moderationsuhr (Stundenuhr) wurde eingeführt und man durfte so gut wie nichts mehr aus dem Bauch heraus machen. Ein gewisser Herr Stümpert wirbelte damals alles durcheinander, und keiner wollte mehr so richtig. Radio Gong sackte dann auch so was von ab. Fünf Jahre lang war man unangefochten die Nummer eins in München gewesen, quasi über Nacht ging es in der Hörergunst runter auf den fünften Platz. Da kam die Idee, an den Bodensee zu ziehen, gerade recht. Ich ging zunächst zu Radio Lindau, neun Monate später wechselte ich aber schon zu Radio 7 in Ulm. Dort blieb ich bis November 1999. Seit Dezember 1999 bin ich bei RSA Radio in Kempten im schönen Allgäu, wo ich auch lebe.

Wenn Sie heute zurück blicken: Was waren Ihre persönlichen Highlight Ihrer Radio Laufbahn, was waren die Tiefpunkte?

Die schlechten Sachen vorneweg: Tiefpunkte waren das Ende von M 1 in Bozen und später in München und auch die grausame Umstrukturierung bei Radio Gong; dazu noch eine berufliche Enttäuschung bei Radio Lindau. Highlights waren Fanpost und Anrufe (bei M 1 in Bozen) aus fast ganz Deutschland und der (damaligen) Tschechoslowakei. Das war ja alles neu für mich. Ferner: Im Olympiastadion in München (ausverkauft) am Mittelkreis die Vorstellung von Europacup-Sieger Juventus Turin und dem FC Bayern, die Entgegennahme des Medienpreises und auch die vielen Live-Interviews bei Gong (unter anderem mit Tony Curtis, Elton John, Jürgen Prochnow oder Diego Maradona). Dazu kommt noch für mich als Fußballfan noch ein Spiel für Radio Gong im Dress des FC Bayern gegen eine Promi-Auswahl. Manager Uli Hoeneß und Presse-Chef Markus Hörwick haben mir damals die nagelneuen und noch in Folie verpackten Trikots, Hosen und Stutzen des FC Bayern für dieses Spiel mitgegeben. Ach, da gäbe es noch viel zu erzählen...

Ziehen Sie bitte mal eine Bilanz nach 20 Jahren Privatradio in Bayern. Ging die Entwicklung bis zum heutigen Tag in die richtige Richtung? Wie beurteilen Sie die heutige Hörfunklandschaft im Freistaat?

Gestartet ist der Privatfunk damals sicher mit ganz anderen Erwartungen. Man wollte sich deutlich abheben von den öffentlich-rechtlichen Sendern, was aber aus jetziger Sicht total daneben gegangen ist. Doch wer überleben will ohne jeden Cent an Einnahmen aus Rundfunkgebühren, muss sich wohl dem Kommerz beugen. Wie viele Privatradios existieren denn noch? Verglichen mit den Anfängen vor über 20 Jahren ist doch nur noch ein ganz kleines Häuflein übrig. Und 90 Prozent der Sender gehören irgendwelchen Großkonzernen. Ehrlich gesagt: Ich habe den Eindruck, dass die Sender heute alle gleich klingen. Und wenn ich mir das private Fernsehen so anschaue - ich glaube, dann schalte ich besser ab.

Herr Hölzl, vielen Dank für dieses ausführliche und aufschlussreiche Interview.