
'Wenige
Tage nach dem Sendestart wollte man mich verhaften'
Zeitzeugen-Interview
mit dem Südtiroler Radiopionier Christian Chindamo von Witkenberg
(Copyright: uhini.de -
2015)
Er
ist der Radiopionier schlechthin in Südtirol: Im März 1976
wagte sich Christian Chindamo von Witkenberg, Jahrgang 1942,
mit der Freien Südtiroler Welle (FSW) in ein bis dato fast
komplett unbekanntes Fahrwasser und startete das erste
deutschsprachige Privatradio auf UKW in Südtirol. Lediglich
Radio Bolzano Dolomiti war zu diesem Zeitpunkt bereits einige
Wochen auf Sendung; der italienische Privatsender war bereits im
Dezember 1975 on air gegangen.
Mehrere Jahrzehnte lang prägte Christian Chindamo die Südtiroler
Privatradio-Szene. Zur FSW gesellten sich Sender wie der
Burggräfler Landfunk (BLF), Radio Atlantis oder das Stadtradio
Meran. Im Exklusiv-Interview lässt Christian Chindamo
diese aufregende Zeit noch einmal Revue passieren.
Herr
Chindamo, welchen Bezug hatten Sie zum Medium Radio,
bevor die Freie Südtiroler Welle im März 1976 auf
Sendung ging?
Das war einfach ein Traum. Ich war zwar zuvor schon
Amateurfunker, aber da war immer dieser Reiz, mal für
ein großes Publikum Radio auf UKW zu machen, sich
selbst im Radio zu hören und natürlich auch von
vielen Leuten gehört zu werden. Ich glaube, das kann
man sich heutzutage kaum mehr vorstellen, wie
faszinierend dieser Gedanke damals war.
Wie lange haben Sie den Sendestart vorbereitet und
wie verliefen die ersten Wochen und Monate?
Das waren nur wenige Tage. Mein erstes
"Studio" war meine Küche; dort hatte ich
innerhalb von zwei Tagen alles auf einem Tisch
aufgebaut. Aber kaum war ich auf Sendung, fingen die
Probleme ja erst an. Der damalige Quästor (Polizeioberhaupt;
Anm.d.Red.) wusste nämlich damals noch nichts von
der neuen gesetzlichen Regelung, das eine
Meinungsverbreitung mit allen Mitteln gestattete.
Genau dadurch wurde ja der Weg für Privatradio frei
gemacht. In Unkenntnis der Sachlage befragte man mich
stundenlang. Und der Quästor wollte mich eigentlich
wegen eines illegalen Delikts festnehmen, hätte nicht
ein Freund die ganze Geschichte an die Tageszeitung
"Corriere dela Sera" weitergeleitet. Dort
widmete man mir tatsächlich einen Artikel auf der
Titelseite. Dies muss den Quästor enorm beeindruckt
haben, denn ich durfte wieder gehen.
Aber das war nicht alles. Ich habe nämlich zunächst
einmal in der ganzen Umgebung Störungen verursacht.
Ich war eigentlich auf dem kompletten UKW-Frequenzband
zu hören. Abends musste ich ausschalten, damit die
Leute im Haus überhaupt noch TV-Programme empfangen
konnten. Ich hatte einfach zu wenig Erfahrung. Den
ersten Sender hatte ein Bekannter in Genua gekauft; es
sollte angeblich ein Quartz-Sender sein. Doch wie sich
hier in Südtirol schnell herausstellte, stimmte das
nicht. Der Sender war also "freischwingend",
die Frequenz wanderte ununterbrochen hin und her. Ich
habe deswegen zu dieser Zeit auch noch nicht rund um
die Uhr gesendet. Wenn ich Lust hatte zu senden, habe
ich einfach eingeschaltet. Das Musikarchiv bestand in
dieser Phase aus fünf oder sechs Langspielplatten.
Eine davon war von Abba, die damals gerade den Hit
S.O.S. hatten.
Wie war damals die Hörer-Resonanz?
Sehr positiv, obwohl ich ja nicht immer auf
Sendung war. Die Leute haben einfach gewartet und sich
dann gefreut, wenn sich auf der Frequenz 103,6 in
Meran und Umgebung etwas tat. Die Antenne, die mir ein
Amateurfunker gebastelt hatte, stand damals auf meinem
Hausdach in der Meraner Romstraße. Allerdings war vom
ersten Tag an klar, dass ich das Sendegebiet so
schnell wie möglich erweitern würde. Zu diesem Zweck
habe ich mich damals an die deutsche Firma "Rohde
& Schwarz" gewandt. Die hat eine
Projekt-Analyse durchgeführt, die mich sehr viel Geld
kostete. Anschließend garantierte man mir, dass ich
bei Anschaffung hochprofessioneller Geräte von der
Romstraße aus auch Bozen abdecken würde. Darauf habe
ich mich verlassen - mit dem Resultat, dass ich auch
nicht wesentlich weiter kam als vorher. Bei
"Rohde & Schwarz" war man allerdings so
seriös, dass man alles zurückgenommen hat. So
entstand mir glücklicherweise kein zu großer
finanzieller Verlust. Jedoch hatte ich durch diese
Geschichte natürlich die Erkenntnis gewonnen, dass
ich für die Erweiterung meines Sendegebiets Umsetzer
benötigen würde.
Wie fanden Sie hierfür die geeigneten Standorte?
Ganz einfach: durch viele Tests. Zunächst habe ich es
zum Beispiel von Marling oder von Vellau aus probiert,
dann von der Mut aus. Marling hätte nur in Richtung
Vinschgau funktioniert, nicht aber in Richtung Bozen.
Von der Mut aus konnte ich beide Richtungen abdecken,
weswegen ich mich dann für diesen Standort
entschieden habe. Da war damals noch kein anderer
Sender droben. Wohlgemerkt: Das war alles noch im
Jahre 1976, ging also recht zügig. Auf den Standort
Mut folgte dann Perdonig. Die Stromkabel haben wir,
wenn nötig, selbst hinauf gezogen.
Auf der Mut hat man mir dann mal die ganze Anlage
angezündet. Da blieb kaum mehr etwas davon übrig;
ein großer finanzieller Verlust also. Ich fuhr zu
diesem Zeitpunkt gerade mit dem Auto von Bozen in
Richtung Meran und habe es oben qualmen sehen. Wer für
den Brand verantwortlich war, konnte nie genau
ermittelt werden; es gab nur Vermutungen. Aber natürlich
habe ich sofort eine neue Anlage aufgebaut. Denn von
der Mut aus kam ich mit nur drei Watt immerhin bis
Bozen und auch in Richtung Auer. Man darf allerdings
nicht vergessen, dass im UKW-Band damals noch extrem
viel Platz war. Den Ausbau habe ich dann so zügig
voran getrieben, dass die FSW 1978 bereits in ganz Südtirol
zu hören war.
Und dennoch haben Sie die FSW 1982 verkauft.
Weshalb?
Das hatte wirtschaftliche Gründe. Von 1980 an betrieb
ich ja mit dem Burggräfler Landfunk auch schon einen
zweiten Sender, den mir übrigens Mitarbeiter ursprünglich
zum Geburtstag geschenkt hatten. Alle ausrangierten
Geräte wurden dafür wieder aktiviert. Und es gab ja
sogar noch einen weiteren Sender, nämlich Radio
Atlantis (Ab Mitte der Achtziger bis Mitte der
Neunziger auf 96,2 in Meran & Umgebung; Anm.d.Red.).
Dafür hatte ich ein Abkommen mt Radio Luxemburg. Ich
habe deren Programm via Satellit übernommen und in Südtirol
ausgestrahlt. Und ich durfte natürlich eigene lokale
Werbung verkaufen. Der Sender von Radio Atlantis stand
oberhalb von Marling in der Nähe vom Gasthof Tschigg.
Von diesem Standort aus sendet heute Radio Edelweiß.
Grundsätzlich muss ich sagen, dass ich mit dem BLF
das meiste Geld verdient habe. Das Programm war extrem
kostengünstig.
Aus der FSW wurde schließlich Radio Transalpin,
der Sender strahlte auch in Richtung Nordtirol und
Bayern. Doch der Erfolg blieb aus. Hatte das Projekt
aus Ihrer Sicht überhaupt eine Chance?
Nein, gar keine; und zwar aus technischer Sicht. Der
Standort Wilder Freiger war für Sendungen in Richtung
Norden nicht besonders geeignet. Deswegen blieben auch
Werbeaufträge aus. Außerdem gab es zu dieser Zeit in
Deutschland bereits Privatradio, was die Sache noch
erschwerte. Nicht zuletzt waren auch die Inhalte und
das Musikformat nicht durchdacht. Hier in Südtirol
hat das alles übrigens kaum jemanden interessiert. Außer
einiger Zeitungsartikel hat man man von den Sendern,
die nach Norden strahlten, so gut wie gar nichts
mitbekommen.
Auch den Burggräfler Landfunk, der sich ab 1995
"BLF - Sender Meran" nannte, haben Sie
dann letztendlich verkauft, und zwar an die Kirche.
Was war der Grund dafür?
Ich wollte einfach nicht mehr; es waren immerhin über
30 Jahre. Auch meine Frau hatte keine Lust mehr,
weiter Radio zu machen. Der BLF hieß dann
schließlich "Stadtradio Meran", bis Ende
Januar 2010 lief noch das bekannte Programm.
Mittlerweile gibt es nur noch Musik und Nachrichten.
Sie haben sich nunmehr komplett aus dem Radiogeschäft
zurückgezogen. Hören Sie noch Radio?
Ja, schon. Aber keine Südtiroler Sender, sondern
bevorzugt die italienische Station RDS (Radio
Dimensione Suono, ein Radio-Netzwerk aus Rom;
Anm.d.Red.). Am meisten
auf die Nerven geht mir Südtirol 1. Die versuchen Ö
3 zu kopieren, es gelingt ihnen aber nicht. Alles
klingt irgendwie gekünstelt. Überhaupt hat sich die
Radio-Szene in Südtirol eher zum Negativen verändert.
Es gibt einen dominierenden Sender mit Südtirol 1.
Der hat dieselben Eigentümer, die auch die
Presselandschaft dominieren. Da kann es keine echte
Vielfalt mehr geben.
Herr Chindamo, herzlichen Dank für das ausführliche
Gespräch.
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